„Viel für Werteerziehung arbeiten“
INTERVIEW Leiter des American Jewish Committee über Deutschland und die Juden
FRAGE: Das American Jewish Committee (AJC) wurde vor über 100 Jahren von deutschen Auswanderern in den USA gegründet. War es richtig, vor 20 Jahren mit der Gründung eines Büros in Berlin nach Deutschland zu kommen? HARRIS: Definitiv. Ich halte diese Entscheidung sogar für eine der besten in unserer jüngeren Vergangenheit. Die Eröffnung eines Büros war der logische nächste Schritt in einem Prozess, der kurz nach Gründung der Bundesrepublik 1949 begonnen hatte. Das AJC hat damals als weltweite einzige jüdische Organisation die Notwendigkeit begriffen, mit Deutschland wieder ins Gespräch zu kommen. Wir wollten die Demokratisierung unterstützen und einen neuen deutsch-jüdischen Dialog beginnen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich das AJC zu einem wichtigen Partner entwickelt in den Debatten über transatlantische Beziehungen, über das Verhältnis zu Israel, die Zukunft des Judentums und über das, was wir die drei „I“nennen: Immigration, Integration, Identität.
FRAGE: In Berlin haben Sie Angela 4erkel getro00en. Kritiker wer0en ihr vor, zu iran0reundlich und zu distanziert zu Israel au0zutreten. 3eilen Sie diese Bedenken?
HARRIS: Wir wissen das Engagement von Kanzlerin Merkel für Israel zu schätzen. Das hat sie gerade in diesem Monat mit ihrem wichtigen Besuch in Jerusalem unterstrichen. Wir haben auch registriert, dass sie die besonderen Beziehungen zwischen Jerusalem und Berlin zur deutschen Staatsräson erklärt hat. Gibt es gelegentlich Meinungsverschiedenheiten? Ja. Iran ist sicherlich die Wichtigste. Nach unserer Überzeugung sollte Europa den härteren Kurs der USA unterstützen, weil Teheran Tod und Zerstörung in Syrien fördert, zu Israels Vernichtung aufruft, Terroreinheiten nach Europa schickt und die Hamas und Hisbollah fördert. Anders als von einigen politischen Führern in Europa und den USA vorhergesagt, hat der Atomdeal an diesem Verhalten nichts geändert. Im Gegenteil sind die Aktionen des Iran noch schlimmer geworden. FRAGE: In Deutschland w/chst die Sorge vor einem zunehmenden Antisemitismus, ge0ördert möglicherweise auch durch 1lüchtlinge aus arabischen 2/ndern. 3eilen Sie diese Bedenken?
HARRIS: Leider muss ich die Frage mit „Ja“beantworten. Die Gefahr ist real in Deutschland, aber nicht nur hier. Viele Flüchtlinge kommen aus Regionen, in denen der Antisemitismus weit verbreitet ist. Der Wandel im Denken und in den Einstellungen kommt nicht von allein, wenn Menschen das Land wechseln. Da muss viel und nachhaltig für die Werteerziehung gearbeitet werden. Und natürlich hat die wachsende Migration auch zum Aufstieg der rechtsextremen Kräfte beigetragen. Die beiden Gruppen verbindet nicht viel, außer leider die Abneigung gegenüber Juden.