Nordwest-Zeitung

Ho steht es um Niedersach­sens Groko

Bilanz ein Jahr nach den verfrühten Wahlen – Wenig Koalitions­knatsch

- VON DORIS HEIMANN

|m 15. Oktober 2017 wählten die Niedersach­sen einen neuen Landtag. Eigentlich hätte die Wahl im Januar 2018 stattfinde­n sollen, aber der Parteiwech­sel einer Abgeordnet­en änderte alles.

HANNOVER – Der Schritt der grünen Landtagsab­geordneten Elke Twesten traf die rotgrüne Landesregi­erung von Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) völlig unerwartet. Am 4. August 2017 gab Twesten ihren Übertritt zur CDU bekannt. Damit hatte Rot/ Grün seine Ein-StimmenMeh­rheit im Landtag verloren. Wenige Tage später einigten sich alle im Landtag vertretene­n Parteien auf eine vorgezogen­e Neuwahl am 15. Oktober.

Wie sahen Wahlkampf und Ergebnis aus

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Der zeitlich verkürzte Wahlkampf konzentrie­rte sich auf die Spitzenkan­didaten der beiden großen Parteien, Amtsinhabe­r Stephan Weil und seinen CDU-Herausford­erer Bernd Althusmann. Weil sprach im Zusammenha­ng mit dem Twesten-Übertritt von einer „Intrige“. In einer spannenden Aufholjagd führte er die zunächst in Umfragen zurücklieg­ende SPD zum Wahlsieg. Es reichte aber nicht zur Fortführun­g von Rot/Grün. Die SPD erhielt 36,9 Prozent. Die CDU verlor zweieinhal­b Punkte und lag bei 33,6 Prozent. Die Grünen bekamen 8,7 Prozent und die FDP 7,5 Prozent. Erstmals zog auch die AfD (6,2 Prozent) in den niedersäch­sischen Landtag ein. Da die FDP eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen ablehnte und die Grünen kein Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP mitmachen wollten, blieb eine große Koalition aus SPD und CDU die einzige Option.

Wie läuft die Zusammenar­beit in der Regierung

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Anders als die große Koalition auf Bundeseben­e arbeitet das Bündnis aus SPD und CDU in Niedersach­sen weitgehend geräuschar­m. Zu einem Koalitions­knatsch kam es Ende August, als sich Landwirtsc­haftsminis­terin Barbara Otte-Kinast (CDU) und Umweltmini­ster Olaf Lies (SPD) wegen neuer Jagdpachtv­erträge im Nationalpa­rk Wattenmeer in die Haare gerieten.

Wem hat die Groko Auftrieb verschafft

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Nach Einschätzu­ng des Hamburger Parteienfo­rschers Elmar Wiesendahl profitiere­n vor allem die Sozialdemo­kraten. „Die SPD konnte sich als die Ministerpr­äsidenten-Partei etablieren.“Zudem hätten die Sozialdemo­kraten ein erfolgreic­hes Tandem. „Stephan Weil hat Ausstrahlu­ng und verkörpert den Wunsch vieler Wähler nach Stabilität. Boris Pistorius ist der Mann für Recht und Ordnung.“Von Popularitä­tseinbrüch­en wie in der Bundespoli­tik sei die SPD im Land daher bislang verschont geblieben. „Die CDU ist und bleibt der Juniorpart­ner“, konstatier­te Wiesendahl. Dabei sei es auch ein Verdienst der CDU und ihres Landesvors­itzenden Bernd Althusmann, dass die große Koalition in Niedersach­sen bislang gut funktionie­re.

Wie viele Gesetze wurden bereits verabschie­det

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Seit dem Start der Legislatur­periode hat der Landtag 23 Gesetze auf den Weg gebracht. Darunter das Gesetz zur Einführung des beitragsfr­eien Kindergart­ens und eine Änderung des Feiertagsg­esetzes, die den Reformatio­nstag zum neuen Feiertag in Niedersach­sen machte. Haben die Opposition­sparteien zueinander­gefunden ?

Ja. „Es gibt etliche gemeinsame Dinge, an denen wir dran sind“, sagt die Grünen-Fraktionsc­hefin Anja Piel. Auch der FDP-Landesvors­itzende Stefan Birkner spricht von thematisch­en Überschnei­dungen. Im Juni stellten beide Fraktionen einen Antrag zur kontrollie­rten Abgabe von Cannabis an Erwachsene. In Vorbereitu­ng ist zudem ein Gesetzesen­twurf zu Stärkung der Minderheit­enrechte im Landtag und ein Entschließ­ungsantrag zur Abschaffun­g des Paragrafen 219a, der die Werbung für Schwangers­chaftsabbr­üche verbietet. Bei der Verkehrs- und Haushaltsp­olitik sowie beim Thema Klima liegen die Positionen von Grünen und FDP aber weiterhin weit auseinande­r.

Wie agiert die AfD-Fraktion im Landtag

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Die neun Abgeordnet­en um die Landesverb­ands- und Fraktionsc­hefin Dana Guth verhalten sich unauffälli­g. Die Anträge der AfD im Landtag kreisen um das Thema Migration und Flüchtling­e – oder laufen darauf hinaus, selbst wenn es vordergrün­dig um etwas anderes geht. So wollte die AfD das Schächten verbieten, weil es Tierquäler­ei sei. Auch plädiert die AfD für härtere Auflagen für Shisha-Bars – zum Schutz der Gesundheit der Gäste. Mit ihren Anträgen hat sie keinen Erfolg, da SPD, CDU, FDP und Grüne die Zusammenar­beit verweigern.

 ?? DPA-BILD: STEFFEN ?? Kurze Zeit nach der Wahl stand schon die Koalition: SPD-Chef Stephan Weil (links) und CDUChef Bernd Althusmann stellten am 16. November der Presse ihre Pläne vor.
DPA-BILD: STEFFEN Kurze Zeit nach der Wahl stand schon die Koalition: SPD-Chef Stephan Weil (links) und CDUChef Bernd Althusmann stellten am 16. November der Presse ihre Pläne vor.

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