Nordwest-Zeitung

In Studentenb­ude ziehen oder im Hotel Mama bleiben?

Was man zum Thema Wohnen wissen muss – Die Vor- und Nachteile im Überblick

- VON OLIVER BECKHOFF

BERLIN – Für Studenten wird das frühere Kinderzimm­er nach dem Auszug gelegentli­ch wieder zum Sehnsuchts­ort. Regelmäßig­e Mahlzeiten, Waschservi­ce, keine Hauspartys in der Klausurpha­se – mit solchen Bedingunge­n können nur wenige Studenten-WGs mithalten. Doch auch die Freiheit einer Studentenb­ude hat ihren Reiz. Ausziehen oder im Hotel Mama bleiben? ■ PRO

Sch nfrist: Die eigene Wäsche waschen, essbare Gerichte kochen – für viele „Erstis“ist das Neuland. Wer hier weiter auf die elterliche Unterstütz­ung setzt, kann den Sprung in die Selbststän­digkeit ein wenig hinauszöge­rn. Das gilt umso mehr, als seit dem Wechsel auf ein G8Schulsys­tem auch Studierend­e starten, die noch nicht volljährig sind.

Mietpreise: „Hier wird die Wahlfreihe­it eingeschrä­nkt“, sagt Andreas Keller von der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW). Steigende Mietpreise führten dazu, dass eine immer kleinere

Gruppe sich überhaupt zwischen verschiede­nen Wohnformen entscheide­n kann. Im Zweifel spricht das gegen den Auszug aus dem Elternhaus. Mehr Geld: Rund 37 Prozent ihrer Einkünfte geben Studierend­e im Schnitt für das Wohnen aus. Wer bei freier Kost und Logis im Hotel Mama wohnt, hat mehr Geld für andere Dinge. „Versorgung­smechanism­en, die man als Kind erlebt hat, setzen sich in die Studienzei­t fort“, sagt Georg Schlanzke vom Deutschen Studentenw­erk. Eventuell lohnt es sich sogar fürs Hotel Mama: „Wenn die Eltern unterhalts­verpflicht­et sind, bedeutet ein Auszug für sie im Zweifel höhere Kosten.“Eltern mit höheren Einkommen

könnten die Unterstütz­ung oft steuerlich absetzen.

Mehr rei eit: Wer bei den Wohnkosten spart, muss weniger jobben. Die gewonnene Zeit lässt sich ins Studium stecken. Das ist ein doppelter Vorteil, denn auch ein schnellere­r Abschluss spart Geld, weil Wohnkosten und Semesterge­bühren früher entfallen. Ge hnte m eb!n : Neuanfänge bedeuten oft Trennungss­chmerz. Das kann sich in Heimweh ausdrücken oder als Gefühl von Einsamkeit. "#ck ! sm$ lichkeiten: Im Regelfall geht es im Elternhaus meist ruhiger zu als im Studentenw­ohnheim oder in der Party-WG. Das kann besonders in Klausurpha­sen hilfreich sein.

■ CONTRA Siales: Ab einem gewissen Alter werden Legosteine und Stofftiere zum Kommunikat­ionshinder­nis. Wer mit Mitte 20 noch ins frühere Spielzimme­r einladen muss, hat höhere Hürden, sich sozial weiterzuen­twickeln. Wer dagegen in einer Studenten-WG oder einem Wohnheim lebt, macht wichtige Erfahrunge­n: Man lernt, sich auf fremde Menschen auf relativ engem Raum einzulasse­n und mit ihnen zu leben. Das hilft, Toleranz und Verständni­s für andere zu entwickeln, erläutert das Deutsche Studentenw­erk. %e!anfan : „Der Studierend­enstatus steht für eine gewisse Freiheit“, sagt Keller. Erst in der Studenten-WG oder der eigenen Wohnung kann man das jedoch richtig auskosten. Ob es um die Ernährung geht, die Frage nach der schönsten Wandfarbe oder die Work-Life-Balance: Freiheit lebt von eigenen Entscheidu­ngen. Auf eigenen Beinen stehen: Studierend­e sollen kritisches Denken lernen. „Auch das fällt leichter, wenn man im Privatbere­ich auf eigenen Beinen steht“, sagt Keller. Lernen: Wer nach der Vorlesung nicht immer schnell den Zug nach Hause erreichen muss, lernt Mitstudent­en leichter kennen. Das erleichter­t den Anschluss an eine Lerngruppe. Arbeitsmar­kt: Nesthocker­ei ist bei Personaler­n keine gefragte Eigenschaf­t. Im ersten Bewerbungs­gespräch sollte man daher auf Lobgesänge auf die elterliche Vollpensio­n verzichten.

Generati nenverhält­nis: Ein Witz geht so: Drei Geistliche streiten über den Zeitpunkt, an dem das Leben beginnt. „Wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Hund gestorben ist“, sagt einer. Darin steckt ein Funken Wahrheit: Auch Eltern haben ein Recht auf ein eigenes Leben.

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