Starke Bauern o er starke Ketten?
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BRÜSSEL Als Albert Deß Anfang dieses Monats aus der Sitzung des Agrarausschusses im EU-Parlament kam, zeigte er sich zufrieden: „Die Konzentration beim Einzelhandel in der EU soll eingeschränkt werden“, sagte der Landwirtschaftsexperte der christdemokratischen EVP-Fraktion, der selbst der CSU angehört. „Wir haben einen ersten Schritt getan, um einer immer größer werdenden Dominanz von einzelnen Handelsketten im nationalen wie im internationalen Markt entgegenzuwirken.“
Seither laufen der deutsche Einzelhandel und die beiden Großkonzerne Rewe und Edeka Sturm gegen die Pläne aus Brüssel. „Die Beschlüsse sind grotesk“, erklärte ein EdekaVertreter. Auslöser des Krachs ist das Bemühen der EUKommission, sich für die Bauern nicht nur im Milchsektor starkzumachen. Deren Position gegenüber den Branchenriesen soll gestärkt werden, um bessere Preise durchsetzen zu können.
Als Beispiel gilt Agecore, eine Händlerallianz, zu der neben Edeka auch Coop (Schweiz), Intermarché (Frankreich), Kolruyt (Belgien), Conad (Italien) und Eroski (Spanien) gehören. Die Kommission will nun erreichen, dass unlautere Handelspraktiken wie verspätete Zahlungen, beschränkte Marktzugänge, rückwirkende Änderungen von Vertragsbedingungen ebenso verboten werden wie die unbegründete Auflösung von Verträgen oder die Abwälzung von Transportund Lagerkosten auf die Lieferanten. So weit, so gut.
Aber der Agrarausschuss des Parlaments sattelte noch drauf und ließ zumindest den Eindruck entstehen, dass die Vorschriften nicht nur für internationale Einkaufsgemeinschaften gelten, sondern auch für nationale. Bei Edeka, Rewe und anderen – betroffen wären wohl auch einige Bäckerei-Ketten – schrillten die Alarmglocken. „Der Vorschlag kommt einem Generalangriff auf den mittelständischen Lebensmittelhandel gleich“, schimpfte Josef Sanktjohanser, Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE).
Tatsächlich sind Edeka und Rewe genossenschaftlich strukturiert. Denn die meisten Geschäfte werden von Einzelunternehmern geführt, die das Sortiment bestimmen, mit den Lieferanten aus der Region verhandeln, Standardware und Markenartikel aber über die Zentrale ordern, die für alle einkauft. Beide Konzerne verstehen sich selbst als Gegenpol zur internationalen Großindustrie für Nahrungsmittel. Richtig ist, dass ohne Rückbindung an Edeka oder Rewe jeder Geschäftsführer selbst bei den Herstellern einkaufen müsste. Das würde kleinere Mengen und höhere Preise bedeuten. Die Verbände sehen die bisherige Struktur als Garant für verbraucherfreundliche Kosten und ein breites bezahlbares Angebot. Ihr Problem: Genau diese Stärke einer großen Einkaufsgemeinschaft, die den Lieferanten ihre Bedingungen aufdrücken kann, will Brüssel „knacken“, damit die Bauern mehr Macht und Mitspracherecht bei der Preisgestaltung bekommen.
Ob die Agrarpolitiker des Parlaments sich durchsetzen können, ist noch offen. Bis zum Jahresende verhandeln die Volksvertreter mit der Kommission und den Mitgliedstaaten im sogenannten Trilog über die neuen gesetzlichen Regeln.