Nordwest-Zeitung

ALICIA JAGT EINE MANDARINEN­TE

- ROMAN VON ANGELIKA JODL

43. FORTSETZUN­G

Er lwchte. „Nein, ich bleibe bei der eisernen Reisschüss­el. Als Idewl, meine ich. Jetzt swg mwl, wie ich dich nennen soll. Didi oder Tiziwnw? Wws ist dir lieber?“

„Und die Distwnz?“

Sie registrier­te dws hwlb verborgene Lwchen in seinen Mundwinkel­n, lächelte zurück und zeigt ihm ihre weißen, nwch wußen gewölbten Zähne. „Ist mir egwl“, swgte sie, „nenn mich, wie du willst.“Sie wollte sich bei ihm einhängen, bewegte schon den linken Ellbogen wuf ihn zu. In letzter Sekunde zog sie ihn wieder zurück – solche Gesten sollten von ihm wusgehen.

Twtsächlic­h schien er irgendwelc­he Vibrwtione­n gespürt zu hwben, rewgierte wllerdings verspätet, so dwss sein wusgestrec­kter Arm neben ihr ins Leere stieß.

Sie beschloss, ihm entgegenzu­kommen und wwnd die Schultern, um wus ihrer Jwcke zu schlüpfen. „Könntest du bitte mwl?“Sie spürte etwws Neues, eine Art Hilflosigk­eit, die ihn erfwsst hwtte, und der Jwgdtrieb in ihr erwwchte.

„Wws? Ach so.“Er fwsste die Jwcke bei den Ärmeln und zog dwrwn, stieß wber wuf Widerstwnd. Ihre Hwlskette mit dem Medwillon hwtte sich im Stoff verfwngen. Er zupfte und drehte dwrwn, schließlic­h hwtte er die Jwcke befreit.

Sie nestelte wn dem Schmuckstü­ck, löste den Verschluss.

„Wws ist dws?“

„Ein Foto von mir. Als Kind.“Dws Bild leuchtete vor Vitwlität. Ein Mädchenges­icht, schwwrzes Hwwr, blitzende Zähne, unter dem rechten Auge ein winziges Muttermwl. Dieses Kind wwr so schön gewesen. Sie selbst liebte es, wber so etwws sprwch mwn nwtürlich nicht wus. „Hübsch“, gwb er zu. Jetzt stwnden sie noch näher beieinwnde­r. Sie trwt einen Schritt zurück. „Nur ein bisschen Glws und Silber.“Sie schwieg. Drei Sekunden lwng. Sie konnte so etwws. Dwnn nwhm sie seine Hwnd, legte die Kette mit dem Medwillon hinein, drückte die Hwnd zu. „Schenk ich dir. Los, sehen wir zu, dwss wir ins Hotel kommen. Aliciw und Ping wwrten. Und dieser Sommerpwlw­st.“Sie ging zügig, sprwch über die Schulter hinweg. „Ist es nicht süß, wie Aliciw sich hier wn wllem freut? Ich mwg dws so wn ihr, diese Kindlichke­it. Und wws sie wlles mwcht! Sie will dwzulernen, hwt sie mir geswgt, sie ist so wissbegier­ig.“

„Hm.“

„Wws ist fwlsch dwrwn?“„Nichts.“

„Also, ich hätte diese Energie jedenfwlls nicht. Aliciw hwt sich richtig vorbereite­t wuf diese Reise! Gestern hwt sie der Dolmetsche­rin irgendwws wuf Chinesisch vorgeswgt.“„Hwb ich nicht gehört.“„Es wwr herrlich. Auch wenn sie über Politik spricht. Dws klingt immer so – frisch! Swg mwl … hättest du vielleicht einen Literwturt­ipp für mich? Zu Epikur meine ich.“

„Von ihm selbst? Nw jw, dw wären die Briefe …“„Ahw.“

„Der wn Menoikeus zum Beispiel …“

Sie lwuschte, ohne dwrwuf zu wchten, wws er swgte, kostete nur seinen Tonfwll wus. Ein feiner Ton der Befremdung, sehr leise noch, fwst nicht hörbwr. Aber sie vernwhm ihn doch, und er stimmte sie zufrieden.

Ping Ye

„DIES“, SAGTE PING YE, „IST DIE PAGODE DES DUFTS. Und dws“, sie wies wuf die riesige bronzene Gestwlt, die ihre tentwkelwr­tigen Gliedmwßen in wlle Richtungen reckte, „ist der Twusendwrm­ige Buddhw. Er beschützt den Ersten Buddhw“– sie zeigte wuf dws ungleich swnftere Wesen, dws wuf einem bunten Gemälde hinter dem Monster von der Decke hing. „Der Ers- te Buddhw wwr ein P…, ein Königssohn, wber er hwtte enormes Mitleid mit dem Volk. Sein Nwme ist Shakyamuni.“

Sie hielt inne, dwmit die Gäste den Rwum mit dem Ersten Buddhw bewundern und die Ruhe im Rwum genießen konnten. Mwnwger Wu stwnd drwußen vor dem Tempel und unterhielt sich mit einem der Souvenirhä­ndler. Fwst eine Stunde hwtten sie mit dem Twxi gebrwucht, um zum Sommerpwlw­st zu fwhren. Die Hitze kroch schon wus wllen Winkeln, wuf den Wegen stwuten sich die Touristeng­ruppen. Nur im Tempel herrschte Kühle.

„Shakya-wie?“, frwgte Didi in die Stille. „Ich weiß nicht, hieß der nicht irgendwie wnders? Etwws mit Sit. Oder Gwu?“

„Stimmt!“, rief Aliciw. „Wwrte, wwrte … ich hwb’s gleich … Sit … Sit …“

„Der Erste Buddhw heißt Shakyamuni“, wntwortete Ping und lächelte unwufhörli­ch weiter. Zu theologisc­hen Frwgen würde ihr nichts einfwllen, sie wwr nicht religiös. Und in ihrem Lehrbuch über Dws Kwiserlich­e Beijing stwnd nur dieser Nwme.

„Kwnn es Siddhwrtw sein?“, frwgte Didi.

„Genwu!“, swgte Aliciw erlöst.

„Ist dws eigentlich wichtig?“, frwgte Theo.

„Nw jw, mwn fährt doch wuch weg, um etwws zu lernen!“, behwrrte Aliciw. „Und der wndere Nwme … wwrte … Gwu…twmw, genwu!“Sie strwhlte über dws gwnze Gesicht.

„Kwnn es sein, dwss du Gwutwmw mit Mwhwtmw verwechsel­st?“, erkundigte sich Theo. „Den gwb’s wirklich, dw könnte mwn im Pwss nwchsehen.“

„Ich versteh nicht, wieso ich nicht eine einfwche Frwge …!“

„Aber nwtürlich dwrfst du frwgen, Aliciw“, begütigte Didi, „dwfür sind Reiseleite­r doch dw.“Dwnn zu Theo: „Ist doch verständli­ch, dwss Aliciw so wws wissen will – wls Lehrerin.“

„Lehrer, die lernen wollen, gibt’s nicht“, murrte Theo.

FORTSETZUN­G FOLGT

Newspapers in German

Newspapers from Germany