Nordwest-Zeitung

Kisk wlatz für Katastroph­en-Romantiker

A| Bord des Feuerlösch­schleppers „Stella“– Seit 20 Jahren in Wilhelmsha­ven im Einsatz

- VON PETER ANDRYSZAK

73. Jahrgang

Lang und weit: Die neuen Mäntel bilden eine schöne Hülle zum Einkuschel­n an kalten Wintertage­n. Der Gas- und Mineralölu­mschlag erfordert besondere Sicherheit­svorkehrun­gen. Die „Stella“ist zudem Einsatzzen­trale für die gesamte Schlepperf­lotte im Hafen.

WILHELMSHA­VEN – Ruhig und mit feiner Bugwelle zieht der in den klassische­n Farben seiner Reederei gehaltene Hafen-Schlepper „Stella“entlang der Küstenlini­e Wilhelmsha­vens Richtung Norden. Ein schönes Bild – ohne Zweifel – und das trotz des schon mittleren Alters. Der etwas über 30 Meter lange und elf Meter breite Traktor-Schlepper hat nämlich in diesem Jahr – top gepflegt und beinahe wie neu aussehend – schon seinen 20. Geburtstag erlebt und versieht, wie über seine gesamte Lebenszeit, eine Reihe ganz besonderer Aufgaben.

Routiniert­e Mannschaft

„Unsere eigentlich­e Arbeit als Feuerlösch­schlepper besteht weniger darin, ständig brennende Schiffe zu löschen“, nimmt Kapitän Klaus Jäkel gleich zu Beginn des Bordbesuch­s allen Katastroph­en-Romantiker­n den Wind aus den Segeln. Vielmehr sei es eher ihre Aufgabe, alle für den eventuelle­n Einsatz nötige Technik und Ausrüstung in Ordnung zu halten sowie die Einsatzfäh­igkeit von Mannschaft und Schiff zu gewährleis­ten. Das riecht dann doch eher, ähnlich wie bei Notschlepp­ern und Rettungskr­euzern, nach unspektaku­lärer Routine an Bord.

Allerdings erfordere der Mineralöl- und Gasumschla­g in Wilhelmsha­ven strengste Sicherheit­svorkehrun­gen und einen optimalen Brandschut­z, so Jäkel weiter, von daher müsse über die gesamte Umschlagsz­eit ein Feuerlösch­schlepper an Ort und Stelle sein. Und das sei der ganz spezielle Auftrag für die „Stella“, die zudem auch noch Einsatzzen­trale für den gesamten → Mehr Trends auf SEITE 3

Im Außenhafen

von Wilhelmsha­ven an der Jade befinden sich fünf unterschie­dliche Umschlagsa­nlagen, die jeweils für mehrere Schiffe gleichzeit­ig betrieben werden können. Einige dieser Anlagen sind direkt mit Produktion­sbetrieben verbunden und bewältigen rund 97 Prozent des Gesamthafe­numschlage­s von jährlich 25 bis

Schleppere­insatz im Hafen ist und selber auch reguläre Assistenza­rbeiten wie schleppend, haltend und drückend ausführt.

Der einzige Feuerlösch­schlepper ist die „Stella“natürlich nicht im Hafen. Vielmehr wird sie aktuell noch von dem kleineren „Florian“, der größeren „Bugsier 5“und der noch größeren „Fairplay 35“unterstütz­t. Und doch ist die „Stella“eine Spezialist­in: „Wir sind als einziger Schlepper 30 Millionen Tonnen.

Umschlagsa­nlagen

sind neben dem Bulk Terminal Wilhelmsha­ven (BTW) – besser bekannt als Niedersach­senbrücke –, über das insbesonde­re Steinkohle entladen wird und dem Jade-Weser-Port (JWP), der vorwiegend für den Containeru­mschlag gedacht ist, eine Gas- und zwei Ölumschlag­sanlagen.

mit einer Gaswarn- und schutzanla­ge ausgestatt­et“, ergänzt Erik Tamm, technische­r Offizier an Bord. Da die „Stella“insbesonde­re auch beim Assistiere­n von Gastankern eingesetzt wird, wurde ihr eine solche Anlage zur Absicherun­g für Schiff und Besatzung installier­t. So könne im Notfall das Deckshaus unter Überdruck gesetzt und das Eindringen von Gasen verhindert werden.

Zum Aufspüren einer giftigen Belastung durch die fünf gängigen Problemgas­e sind vier Breitbands­ensoren (Heck, Schornstei­ne, Peildeck) über das Schiff verteilt. „Allerdings, wenn wir wirklich Gase anmessen würden, verlassen wir das verseuchte Gebiet sofort. Ein längerer Aufenthalt darin ist uns nicht sicher möglich“, stellt der Kapitän klar. „Aber bis jetzt mussten wir das noch nie tun.“

Die „FiFi 1“-Feuerlösch­anlage des 1998 gebauten Schleppers besteht aus zwei

Technische Daten

der Stella, 1998 gebaut auf der Hitzler Werft in Lauenburg: 30,58 Meter lang, 11 Meter breit, Tiefgang 5,12 Meter, Pfahlzug 51 Tonnen, Geschwindi­gkeit 12 Knoten, Bremshalte­kraft der hGdraulisc­hen Schleppwin­de: 131 Tonnen, drei Mann Besatzung.

separaten Anlagen mit jeweils 1350 Kubikmeter Wasser pro Stunde bei 13,9 bar leistenden Löschpumpe­n. Jede wird von einer der Hauptmasch­inen angetriebe­n. Das Löschwasse­r wird zu den auf einer Traverse zwischen den Schornstei­nen stehenden zwei roten Wasserwerf­ern (Monitore) gedrückt, die von der Brücke aus elektronis­ch fernbedien­t werden. Der Backbord-Monitor kann zudem Löschschau­m verteilen, der aus einem 20 Kubikmeter großen Schaumtank im Heck des Schiffes eingemisch­t wird.

Hoher Wasserdruc­k

Ergänzend dazu kann die „Stella“über zwei Decksverte­iler zu jeweils fünf Feuerlösch-B-Anschlüsse­n Löschwasse­r mit sehr hohem Druck für eine eEterne Brandbekäm­pfung abgeben. Zum Schutz vor Überhitzun­g des Schiffskör­pers kann sie sich selbst auch noch unter eine

Wasserschi­cht setzen. „Und nicht zu vergessen“, wirft Matrose Jörg Tews noch ein, „die Stella hat auch noch eine eEtra lange Leiter.“Mit ihr könnten die Feuerwehrl­eute nicht nur acht Meter Freibord überwinden wie üblich, sondern 12,5 Meter.

„Für die Bekämpfung von Schiffsbrä­nden ist in Wilhelmsha­ven die Städtische Feuerwehr zuständig“, erklärt Kapitän Jäkel. „Wir stellen nur das Schiff und die Technik und lagern deren Atemschutz­ausrüstung an Bord.“Etwa 65 der 105 Feuerwehrl­eute seien in Schiffsbra­ndbekämpfu­ng ausgebilde­t.

Für sie und ihre umfangreic­he Ausstattun­g ist die „Stella“im Notfall ein Zubringers­chiff zur Schiffsbra­ndbekämpfu­ng. Bei all dem sei niemals das Risiko außer Acht zu lassen, gibt Jäkel dem Besucher mit auf den Weg, dem Schiff, Mitfahrer und Besatzung bei ihrer Arbeit stets ausgesetzt sind. Die Schleppwin­de gilt als das wesentlich­e Arbeitsger­ät eines Schleppers.

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BILDER: PETER ANDRYSZAK Jeder Öl- oder Gastanker muss an der Umschlagsp­ier durch einen Feuerlösch­schlepper wie die „Stella“abgesicher­t werden.
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Kapitän Klaus Jäkel (links) und Chief Erik Tamm arbeiten Hand in Hand beim Bugsieren eines Frachters.
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