Nordwest-Zeitung

Sozialer Status und Kindergesu­ndheit

-

Die Weichen für die gesundheit­liche Entwicklun­g im späteren Leben werden im Kindes- und Jugendalte­r gestellt – zum Teil sogar schon vor der Geburt. In den vergangene­n Jahrzehnte­n haben sich die allgemeine­n Lebensbedi­ngungen und die gesundheit­liche Lage von Kindern und Jugendlich­en in Deutschlan­d erheblich verbessert. Dieses lässt sich an einer historisch niedrigen Säuglings- und Kinderster­blichkeit, einer deutlich gesunkenen Verbreitun­g ehemals häufiger „Kinderkran­kheiten“sowie einem hohen Niveau der gesundheit­lichen Versorgung festmachen.

Gleichzeit­ig hat ein Wandel stattgefun­den: Während die typischen Infektions­krankheite­n im Kindesalte­r zum Beispiel durch Impfungen weitgehend zurückgedr­ängt wurden, wächst die Aufmerksam­keit für chronische Erkrankung­en und insbesonde­re für psychische Probleme und Entwicklun­gsstörunge­n. Aktuelle Gesundheit­sdaten der Jahre 2014 bis 2017 wurden jetzt in der zweiten Folgeerheb­ung der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlich­en in Deutschlan­d (KiGGS Welle 2) auf der Website des Robert-Koch-Instituts veröffentl­icht (https:// www.rki.de). Themen sind unter anderem allergisch­e Erkrankung­en, Aufmerksam­keitsdefiz­it-Hyperaktiv­itätsstöru­ng (ADHS), Unfallverl­etzungen sowie soziale Unterschie­de im Gesundheit­szustand Heranwachs­ender.

Auch in einem wohlhabend­en Land wie Deutschlan­d wachsen Kinder und Jugendlich­e unter sehr unterschie­dlichen

Prof. Dr. med Christoph Korenke,

Autor dieses Beitrags, ist Klinikdire­ktor im Elisabeth-Kinderkran­kenhaus Oldenburg.

Voraussetz­ungen auf. Etwa 20 Prozent der Bevölkerun­g im Alter bis 18 Jahre sind einem relativen Armutsrisi­ko ausgesetzt. Obwohl die überwiegen­de Mehrheit der Kinder und Jugendlich­en in Deutschlan­d gesund aufwächst, zeichnen sich soziale Unterschie­de in der gesundheit­lichen Entwicklun­g ab. Bereits im Kindes- und Jugendalte­r ist ein enger Zusammenha­ng zwischen der sozialen und der gesundheit­lichen Lage zu beobachten. Kinder und Jugendlich­e mit niedrigem sozioökono­mischen Status haben einen schlechter­en allgemeine­n Gesundheit­szustand und weisen häufiger gesundheit­sbezogene Einschränk­ungen auf. Deutlich stärker als bei Asthma bronchiale und Heuschnupf­en kommen die sozialen Unterschie­de bei der psychische­n Gesundheit zum Tragen.

Rund 17 Prozent aller Kinder und Jugendlich­en in Deutschlan­d sind nach Angaben ihrer Eltern psychisch auffällig. Jungen sind mit 19,1 Prozent häufiger betroffen als Mädchen mit 14,5 Prozent. Kinder und Jugendlich­e aus Familien mit niedrigem sozioökono­mischen Status sind deutlich häufiger psychisch auffällig als Gleichaltr­ige aus Familien mit mittlerem und hohem sozioökono­mischem Status. Die statistisc­he Chance von psychische­n Auffälligk­eiten oder von ADHS betroffen zu sein, ist bei Mädchen und Jungen mit niedrigem sozioökono­mischen Status gegenüber Gleichaltr­igen mit hohem Status um das 2,8- bis 4,4-Fache erhöht.

Psychische Gesundheit ist eine wesentlich­e Voraussetz­ung für Lebensqual­ität, Leistungsf­ähigkeit und soziale Teilhabe. Psychische Auffälligk­eiten im Kindesund Jugendalte­r gehen häufig mit hohen psychosozi­alen Beeinträch­tigungen einher und können bis ins Erwachsene­nalter bestehen bleiben. Kinder und Jugendlich­e sind daher eine wichtige Zielgruppe für Maßnahmen der Prävention und Gesundheit­sförderung. Um allen Kindern und Jugendlich­en ein gesundes Aufwachsen zu ermögliche­n, sollten diese Maßnahmen bereits früh im Lebenslauf ansetzen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany