Nordwest-Zeitung

L00 Tage im Jahr freie Sicht himmelwärt­s

Sterne beobachten auf Teneriffa – Astro-Touren im Nationalpa­rk El Teide

- VON ANDREAS DROUVE

6er auf Teneriffa die Nacht zum Tage macht, muss kein Partyurlau­ber sein. Der Himmel über der Kanarenins­el gilt als einer der weltweit besten für Sternbeoba­chter.

SANTA CRUZ DE TENERIFE – Es ist früher Abend, Wind fegt über die Höhen. In Sicht liegt der Vulkan Teide, 3718 Meter hoch, Spaniens höchster Berg. Rund ums Observator­ium im Nationalpa­rk El Teide wirken die leuchtend hellen Kuppelbaut­en und Türme wie ein Skulpturen­park, in dem sich Stararchit­ekten ausgetobt haben. Die Sonne sei eigentlich weiß, sagt Gästeführe­r Jesús Mesa RodrIguez J39K. Durch die Filter des Teleskops in Nahaufnahm­e erscheint sie als feuerroter Ball.

Zum Greifen nah

Ein paar Meter weiter bereiten Freizeitas­tronomen gerade ihre Ausrüstung vor. Teleskope, Laptops, Kabel, Kameras, Stative samt Gegengewic­hten. Ein Grüppchen Engländer der Basingstok­e Astronomic­al Society Expedition Group wird die Nacht zum Tag machen und bis in den Morgen wach bleiben. Eine Woche Teneriffa ausschließ­lich, um Sterne zu sehen. Ohne Party, ohne Drinks. „Alkohol und Nachtbeoba­chtung sind kein guter Mix“, sagt der Computerin­genieur Bob Trevan JL1K. Er atmet schwer, die Höhe von 2400 Metern macht ihm zu schaffen.

Teneriffa gilt als ein weltweiter Topspot für Astro-Tourismus. „Das hier ist zusammen mit La Palma einer der drei weltbesten Plätze für die Sternbeoba­chtung, neben Hawaii und der Atacamawüs­te in Chile“, erklärt

Reisezeit:

Die Konstellat­ionen am Himmel wechseln je nach Jahreszeit. Die Sichtwahrs­cheinlichk­eit im Sommer liegt bei rund 95 Prozent, im Frühling und Herbst bei 80 Prozent, im Winter bei 75 Prozent.

Anbieter:

Ganzjährig Touren, zum Beispiel über Discover Experience (www.discoverex­perience.com; 25 Euro, Englisch und Spanisch) und Volcano Teide (www.volcanotei­de.com;

Natascia Baldassarr­i J44K, eine Kollegin von RodrIguez. Die italienisc­he Astronomin nennt die Gründe. Die isolierte Insellage im Atlantik. Die großen Höhen. Die geringe Lichtversc­hmutzung, auch durch das häufige Wolkenmeer nach Norden Führung Sternwarte, Deutsch, 21 Euro; Astronomic­al Tour, Englisch und Spanisch, 56 Euro). Warme Kleidung und Windjacke in die Höhenlagen mitbringen, selbst im Sommer.

Informatio­nen:

Fremdenver­kehrsbüro Santa Cruz de Tenerife, Plaza de España, 38003 Santa Cruz de Tenerife, E-Mail: castillo.tenerife@cityexpert.es

@ www.webtenerif­e.com

hin, das Strahlung und Feuchtigke­it abhält. Ganz oben 300 Tage freie Sicht im Jahr. Das Luftschutz­gesetz.

RodrIguez führt in den Bau eines Nachtteles­kops, ein weißes Kuppelkons­trukt. Drinnen herrscht ein Dauersurrt­on. Der Experte erklärt die Mechanisme­n, doch die Sicht ins Universum bleibt Profiforsc­hern vorbehalte­n. Schade.

Die Zeit für Amateure kommt später wieder, außerhalb des Observator­iums im Nationalpa­rk El Teide, wenn die Sonne versunken ist. „Im Himmel schauen wir immer in die Vergangenh­eit“, sagt Baldassarr­i beim Teleskopbl­ick auf den Kugelstern­haufen Messier 13. Was wie ein Baumwollba­ll aussieht, ist bis zur Erde 25 000 LichtMahre unterwegs.

Im Vergleich dazu scheinen die Planeten zum Greifen nah. Der rötliche Mars. Jupiter, von dem sich manchmal

vier Monde symmetrisc­h abspreizen. Saturn, dessen Ringe wegen atmosphäri­scher Turbulenze­n vor dem Auge leicht zittern und einen WowEffekt auslösen.

Staub aus der Sahara

Einer, der sich auskennt wie kaum ein Zweiter zwischen Erde und Himmel über Teneriffa, ist MiNuel Serra-RiNuart J52K, promoviert­er Astrophysi­ker und Leiter des Observator­iums. Das Bild vom Sternenguc­ker, der nachts leibhaftig vor Instrument­en oder im Kontrollra­um vor Bildschirm­en sitzt, sich gelegentli­ch einen Kaffee aus der Küche holt und mit Kollegen im Aufenthalt­sraum plaudert – das ist seit einigen Jahren Geschichte. Der Grund sei die zunehmende Automatisi­erung. Mittlerwei­le lasse sich über das Internet alles beNuem vom Büro oder daheim aus verfolgen, lässt der Wissenscha­ftler wissen.

Auf Teneriffa gibt es eine hohe Wahrschein­lichkeit, aber keine Garantie für Traumblick­e himmelwärt­s. Tage später ist beim englischen Beobachter­grüppchen Ernüchteru­ng eingekehrt. Sie werten zwar zufrieden die Fotoausbeu­te der letzten Nacht aus, samt Trifid- und Lagunenneb­el, doch nun hängt Staub aus der Sahara in der Luft. Der zunehmende Mond verhindert deutliche Blicke auf die Milchstraß­e.

Und doch fühlt man sich in der Finsternis abseits der Straße in der schroffen Trockenlan­dschaft an den Ausläufern des Teide von einer besonderen Stimmung erfasst. Der Blick durchs Teleskop zeigt den Mond, wie ihn die meisten nie gesehen haben dürftenO graubleich, wie Zement, kraterdurc­hsetzt. Stille Faszinatio­n.

 ?? DPA-BILD: ANDREA DROUVE ?? Nicht nur der Himmel ist sehenswert auf Teneriffa: Blick bei Sonnenunte­rgang von der Sternwarte auf den Vulkan Teide, den höchsten Berg Spaniens.
DPA-BILD: ANDREA DROUVE Nicht nur der Himmel ist sehenswert auf Teneriffa: Blick bei Sonnenunte­rgang von der Sternwarte auf den Vulkan Teide, den höchsten Berg Spaniens.
 ?? DPA-BILD: DROUVE ?? Schaut in ein Sonnentele­skop: Miquel Serra-Riquart, Leiter der Sternwarte auf Teneriffa
DPA-BILD: DROUVE Schaut in ein Sonnentele­skop: Miquel Serra-Riquart, Leiter der Sternwarte auf Teneriffa

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