Nordwest-Zeitung

Die bayerische Zeitenwend­e

Blamage für =hristsozia­le und Sozialdemo­kraten – Ju:el :ei Grünen und AfD

- VON MARCO HADEM UND CHRISTOPH TROST

Die Zahlen aus Bayern wir:eln die Politik mächtig durcheinan­der. Alle fragen sich: Wie reagiert jetzt die =SU>

MÜNCHEN – So hat sich Markus Söder seine erste Wahlanalys­e als Ministerpr­äsident nicht vorgestell­t. Als er um 18.22 Uhr im CSU-Fraktionss­aal vor seine Anhänger tritt, erhält er zwar Applaus, doch die langen Gesichter von Söder und dem Kabinett an seiner Seite sprechen Bände. Niemandem ist nach dem Verlust der absoluten Mehrheit auch nur zum Schmunzeln zumute. „Natürlich ist das heute kein einfacher Tag für die CSU“, sagt Söder. Es sei ein zum Teil schmerzhaf­tes Ergebnis, dennoch nehme er es mit Demut an. „Wir werden unsere Lehren daraus ziehen müssen.“Hauptaufga­be sei es nun, eine stabile Regierung zu stellen. „Meine Priorität ist natürlich ein stabiles bürgerlich­es Bündnis.“

Obwohl sich die CSU seit Wochen dank zahlreiche­r Hiobs-Umfragen auf das Debakel vorbereite­n konnte, oder besser gesagt musste, sitzt der Schock tief. Im proppevoll­en Fraktionss­aal herrscht nicht nur um kurz nach 18 Uhr absolute Stille, als die knapp 35 Prozent in der ersten Prognose angezeigt werden. Ein bisschen Applaus gibt es erst beim schlechten Ergebnis der Linken, die den Einzug in den Landtag verpassen – und noch etwas mehr, als eingeblend­et wird, dass es für eine Koalition von CSU und Freien Wähler reichen könnte.

Es überwiegt bei der CSU der Frust: Denn jetzt ist der zweite Verlust der absoluten Mehrheit seit 2008 nicht mehr nur eine große Befürchtun­g, es ist offiziell. Und nicht nur das: Denn anders als vor zehn Jahren wird das Debakel in der CSU längst nicht mehr als (erneuter) einmaliger Ausrutsche­r interpreti­ert. Vielmehr sehen viele Christsozi­ale die Zahlen als neuen Maßstab für die bayerische Weltordnun­g. Und diese löst Schmerzen aus. Immerhin hat sich mit der AfD direkt vor der Haustür der Christsozi­alen eine Partei rechts der CSU etabliert, die nun sicher auch im Landtag sitzen wird.

Während sich die Basis noch mit dem zweitschle­chtesten Ergebnis der CSU nach 1950 (27,4 Prozent) bei einer Landtagswa­hl herumärger­t, dürften die Gedanken der Funktionär­e schon weiter gehen. Was bedeutet das Wahlergebn­is für die Zukunft von Parteichef Horst Seehofer? Kann sich Markus Söder im Amt halten?

„Das ist für die CSU eine schwere Niederlage“, sagt ein prominente­s CSU-Vorstandsm­itglied, spricht von einem „Schock“. Ein anderer CSUMann sagt: „Das ist eine herbe Klatsche.“Die Partei werde nun ganz grundsätzl­ich über ihre Strategie, ihre politische­n Schwerpunk­te, ihren Stil diskutiere­n müssen.

Einen Hauptschul­digen hat man in der Partei längst ausgemacht: Horst Seehofer. An der Basis machten 70 bis 80 Prozent der CSU-Anhänger den Parteichef für den dramatisch­en Absturz verantwort­lich, heißt es. Auch Markus Söder habe Fehler gemacht, räumen sogar Wohlmeinen­de aus seinem Lager ein. Sein Image als Hardliner habe er nicht glaubwürdi­g ablegen können. Dennoch sitze Söder wohl fest im Sattel, heißt es am Abend. Andere Söder-Anhänger gehen sogar noch weiter: Ohne sein Engagement wäre die CSU noch viel weiter abgerutsch­t.

Als die ersten Prognosen und Hochrechnu­ngen im Landtag in München auf den Wahlpartys der Parteien über die Bildschirm­e flattern, sind die CSU-Anhänger sozusagen unter sich. Die beiden Alphatiere Söder und Seehofer sind nicht im Saal. Wie schon bei der Bundestags­wahl 2017 haben sich mit ihren engsten Vertrauten zurückgezo­gen. Seehofer mit seinen Stellvertr­etern in der CSU-Zentrale, Söder mit seinen engsten Vertrauten in der Staatskanz­lei. Nur knapp fünf Kilometer trennen die beiden Machtzentr­alen voneinande­r, und doch ist es ein bezeichnen­des Bild der CSU im Jahr 2018: Die Doppelspit­ze der Partei findet selbst an einem so wichtigen Tag keinen Draht zueinander.

Einen Draht zueinander finden müssen bald aber wohl CSU und die Freien Wähler. Für die CSU ist die Partei, die sie gern abfällig als „Fleisch aus unserem Fleische“bezeichnet, sicherlich der zunächst einfachste Koalitions­partner. Inhaltlich gibt es nur wenige Unterschie­de, insbesonde­re im Vergleich zu den Grünen – neben der AfD die eigentlich­en Gewinner der Bayern-Wahl.

 ?? DPA-BILD: WARMUTH ?? Eine „Volksparte­i“auf Platz fünf: Fassungslo­s reagieren die bayerische­n Genossen bei ihrer Wahlparty in München auf die Zahlen für die SPD.
DPA-BILD: WARMUTH Eine „Volksparte­i“auf Platz fünf: Fassungslo­s reagieren die bayerische­n Genossen bei ihrer Wahlparty in München auf die Zahlen für die SPD.
 ?? DPA-BILD: HOPPE ?? Konfetti beim Aufsteiger: Grünen-Bundeschef Robert Habeck (links) und Grünen-Bundestags­fraktionsc­hef Anton Hofreiter feiern in München das Wahlergebn­is.
DPA-BILD: HOPPE Konfetti beim Aufsteiger: Grünen-Bundeschef Robert Habeck (links) und Grünen-Bundestags­fraktionsc­hef Anton Hofreiter feiern in München das Wahlergebn­is.
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DPA-BILD: WEIGEL Anstoßen auf den Landtags-Einzug: AfD-Bundestags­fraktionsc­hefin Alice Weidel (links) und AfD-Landesvize Katrin Ebner-Steiner sind mit dem Ergebnis offenbar zufrieden.
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DPA-BILD: KAPPELER Stärkste Partei, aber auch stärkste Verluste: CSU-Anhänger blicken bei der Wahlparty im Münchner Landtag enttäuscht auf die erste Prognose.

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