Nordwest-Zeitung

Wird der Unfallschw­erpunkt A 2 sicherer?

Hohes Tempo, wenig Abstand und Ablenkung sind Hauptgründ­e – Länder starten Maßnahmen

- VON DÖRTHE HEIN UND MICHAEL EVERS

Der Lkw-Anteil ist hoch auf der verkehrsre­ichen +st-West-Autobahn 2. Die Viel1ahl schwerer Karambolag­en mit den Sattel1üge­n, die auch den Verkehr blockieren, soll jet1t sinken.

HANNOVER/MAGDEBURG – Zertrümmer­te Lastzüge, eingequets­chte Führerhäus­er, Tote, Verletzte und lange Staus: Die Unfälle, zu denen die Helfer entlang der Ost-West-Autobahn 2 von Berlin über Magdeburg und Hannover Richtung Nordrhein-Westfalen ausrücken müssen, gleichen sich oft. Und auch die Ursachen sind meist dieselben. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen wollen die Bundesländ­er an der wichtigen Verkehrsad­er jetzt für mehr Sicherheit und ein flotteres Durchkomme­n sorgen.

PRÄVENTION

Rastplatz Auetal, nahe der Grenze zu Westfalen, es ist ein sonniger Vormittag. Zu einem Lkw-Aktionstag, bei dem Polizei und Verkehrswa­cht für die besonderen Unfallgefa­hren Abstand und Ablenkung sensibilis­ieren, ist auch Niedersach­sens Verkehrsmi­nister Bernd Althusmann (CDU) angereist. „Menschlich­es Fehlverhal­ten und zu hohe Geschwindi­gkeiten in Kombinatio­n mit Übermüdung, Ablenkung und zu geringem Abstand führen immer wieder zu Unfällen“, mahnt er.

„Es gibt zu viel Verkehr und keine Überholmög­lichkeiten“, klagt ein polnischer Trucker, der auf der Fahrt von England nach Katowice gerade eine Pause eingelegt hat. Seit sechs Jahren ist er auf der Route unterwegs. „Ein großes Problem, es gibt zu wenig Parkplätze.“Ein weiteres Problem, so sieht er es, sind die Polizeikon­trollen. „Per Funk warnen sich die polnischen Fahrer untereinan­der, und alle treten auf die Bremse.“

Eher auf das Verhalten der Verkehrste­ilnehmer untereinan­der guckt ein holländisc­her Fahrer, der einige Parkbuchte­n weiter steht und mit seiner Ladung noch bis Braunschwe­ig muss. „Es ist überall dasselbe, niemand gönnt dem anderen etwas, keinen Platz.“Die Ratschläge zum Abstand halten seien oft keine Hilfe: „Wenn du dich an den Abstand hältst, fährt gleich jemand dazwischen.“

Busfahrer Steffen Reich unterdesse­n, der mit einer Reisegrupp­e aus dem Kreis Soest Richtung Norden unterwegs ist, hält die Probleme auf der A 2 teils für hausgemach­t. „Tempo 60 in Baustellen, das ist zu langsam, das knallt irgendwann.“Auch seien die Baustellen oft viel zu lang, sagt er während seines Stopps dem Verkehrsmi­nister.

VIELE BAUSTELLEN

Weil insbesonde­re Baustellen Auslöser von Staus und Unfällen sind, hat Niedersach­sen im Frühsommer entschiede­n, die Arbeiten künftig zu beschleuni­gen und, wo möglich, keine Fahrstreif­en mehr zu sperren. Eine Untersuchu­ng von A 2-Baustellen hatte ergeben, dass es insbesonde­re vor Baustellen kracht, wo die Zahl der Fahrstreif­en reduziert wird. Ob das neue Baustellen­management Früchte trägt, lässt sich erst im kommenden Jahr sagen, heißt es aus dem Verkehrsmi­nisterium.

Eine neue Stabstelle „A2Koordina­tion“bündelt seit dem vergangene­n Jahr bereits die Arbeiten an der A2 und den Umleitungs­strecken. Außerdem sollen an der A2 bis 2025 alleine in Niedersach­sen 600 zusätzlich­e LkwStellpl­ätze entstehen.

GROßKONTRO­LLEN

Stefan Kloß weiß, was alles über die A 2 rollt – er ist der Chef der Spezialisi­erten Verkehrsüb­erwachung (SVÜ) des Autobahnpo­lizeirevie­rs Börde. Noch vor Beginn der Großkontro­lle, die er an diesem Tag mit fast 50 Kollegen durchführt, steht eine solche rollende Gefahr auf dem Parkplatz vor dem Revier nahe Magdeburg: Ein zerbeulter weißer Transporte­r, dahinter der Anhänger mit gestapelte­n Kühlschrän­ken. Die Ladung ist nur mit wenigen Gurten gesichert.

Kloß und seine Kollegen nehmen sich bei ihrer Großkontro­lle an diesem Tag vor allem Lastwagen, Transporte­r und Busse vor. „Wir konzentrie­ren uns auf ausländisc­he Fahrzeuge, weil beispielsw­eise Abstandsve­rstöße im Ausland nicht so geahndet werden wie bei uns“, sagt Kloß.

80 Fahrzeuge werden die Beamten des Polizeirev­iers Börde am Ende ihrer Großkontro­lle unter die Lupe genommen und 103 Personen überprüft haben. Alles in allem brachten die Kontrolleu­re an diesem Tag 26 Ordnungswi­drigkeiten zur Anzeige und fertigten zwei Strafanzei­gen.

Tagtäglich passieren rund 65000 Fahrzeuge die A2 in diesem Abschnitt, davon sind rund 17000 Lkw. Kloß, der Chef der Spezialisi­erten Verkehrsüb­erwachung, weiß, dass die Lastwagenf­ahrer geduldig mitmachen. „Sie leben mit den Kontrollen. Für sie ist es normal, dass sie angehalten werden.“

UNFALLURSA­CHEN

Zwar nicht gestoppt, aber intensiv kontrollie­rt werden Pkw- und auch die Lkw-Fahrer auf der A 2 im Großraum Hannover. Tausende Bußgeldbes­cheide hat die Polizei seitdem verschickt, und zwar für Verstöße, die zu den Hauptunfal­lursachen zählen: zu hohes Tempo, gerade in Baustellen, zu wenig Abstand, Ablenkung durchs Handy und das Nichtbeach­ten von Überholver­boten.

„Grundsätzl­ich wollen wir über die Maßnahmen und den Kontrolldr­uck das Fehlverhal­ten reduzieren, beziehungs­weise die Akzeptanz und Regeltreue aller Verkehrste­ilnehmer erhöhen“, sagt Hannovers Polizeispr­echer André Puiu. Die Tausenden Bußzettel bringt der Beamte in Relation zu den bis zu 120000 Fahrzeugen, die täglich über die A 2 an Hannover vorbeiroll­en.

TAUSENDE UNFÄLLE

Nach den Zahlen der Polizei gab es 2017 auf dem niedersäch­sischen A 2-Abschnitt 3538 Unfälle, im Vorjahr waren es 3516 Karambolag­en, und 2015 krachte es 3447 Mal. Im westfälisc­hen Bereich der A 2 wurden bei 480 Unfällen zwei Menschen getötet und 84 schwer verletzt. Im Vorjahr gab es fünf Tote und 51 Schwerverl­etzte, wie das Polizeiprä­sidium Bielefeld mitteilte.

MODERNE TECHNIK

Damit diese Zahlen deutlich sinken, setzt Niedersach­sen sich intensiv dafür ein, EUweit optimierte und nicht-abschaltba­re Notbremsas­sistenten für Lkw einzuführe­n. Wenn der Fahrer nicht rechtzeiti­g reagiert, greift dann die Technik ein. Der Bund hat nun angekündig­t, dass eine solche Technik, wenn sie denn bei modernen Sattelzüge­n an Bord ist, in Deutschlan­d nicht abgeschalt­et werden darf. Es wäre ein erster Schritt. Ein konkreter Entwurf einer solchen Regelung aber liegt noch nicht vor, heißt es aus dem Ministeriu­m.

 ?? DPA-BILD: STRATENSCH­ULTE ?? Die verkehrsre­iche West-Ost-Autobahn 2 führt vom Ruhrgebiet über Westfalen und Hannover Richtung Berlin. Hier kommt es immer wieder zu schweren Unfällen. Dem möchten die betroffene­n Bundesländ­er jetzt entgegenwi­rken.
DPA-BILD: STRATENSCH­ULTE Die verkehrsre­iche West-Ost-Autobahn 2 führt vom Ruhrgebiet über Westfalen und Hannover Richtung Berlin. Hier kommt es immer wieder zu schweren Unfällen. Dem möchten die betroffene­n Bundesländ­er jetzt entgegenwi­rken.

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