Neustart ohne Neustart
er Auftritt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Amsterdam erinnerte fatal an die blamable WM in diesem Sommer in Russland. Ein zumeist ermüdend träges Aufbauspiel, viel zu viele Querpässe, jede Menge Ballbesitz ohne Ertrag, kaum zündende Ideen. Und wenn dann doch mal einer frei vor dem Tor auftauchte, wurden die Chancen kläglich vergeben.
Im Zentrum der Kritik: natürlich Joachim Löw, der nach dem historisch schlechten Weltturnier und einer wochenlangen Hängepartie in seiner mit Spannung erwarteten WM-Analyse einen Neustart angekündigt hatte – und sich aufgrund seiner Versprechungen viele berechtigte Fragen gefallen lassen muss.
Ist es wirklich ein Neustart, wenn ein schulterhängender Thomas Müller (29) wie eine misslungene Kopie seiner selbst am Tor vorbeischießt, während der beste Einsgegen-eins-Spieler Leroy Sané (22) höchstens Kurzeinsätze bekommt? Wo ist der Neuanfang, wenn ein offenkundig nicht fitter Jérome Boateng (30) stets den Vorzug vor Niklas Süle (23) erhält? Ist es richtig, wenn auf der linken Seite ein in Liga zwei gegen Sandhausen kickender Jonas Hector (28) gesetzt ist, während ein in der Champions League gegen Manchester City spielender Nico Schulz (25) nur auf der Bank versauert?
Der Bundestrainer tut sich mit dem Festklammern an verdienten, älteren Spielern keinen Gefallen. Im Gegenteil: er macht sich damit noch angreifbarer. Bei einem echten Neuanfang würden Fans und Öffentlichkeit den jungen Spielern Fehler verzeihen. Wer aber einen Neustart proklamiert, ohne den Mut zu haben, ihn durchzuziehen, wird wohl nicht mehr lange zu halten sein.
@ Den Autor erreichen Sie unter Blancke@infoautor.de