Nordwest-Zeitung

Die Feuerkraft der Bärlappspo­re

Überlebens-Kurs mit Bernhard von Hagen im Botanische­n Garten

- VON KARSTEN RÖHR

Der Botanische Garten beherbergt interessan­te Pflanzen und Tiere. Ein Survival-Kurs brachte viele von ihnen näher.

OLDENBURG – Wie darf man sich das vorstellen: „Überleben in der Natur“, eine „Mitmach-Führung für Mutige“im Botanische­n Garten? Wird man zum Uhu in die Voliere gesperrt, streichelt Kreuzotter­n und nascht ein paar Vogelbeere­n? Das durchaus nicht. Aber es ist näher dran, als man denken könnte. Denn das Survival-Potenzial des Botanische­n Gartens ist hoch – und Bernhard von Hagen, der Wissenscha­ftliche Leiter, genau der Richtige, um es zu vermitteln, für jedes Alter.

Ein bisschen Feuer gefällig, für Wärme und das Wildschwei­n am Spieß? Von Hagen demonstrie­rt die Wirkung von Bärlappspo­ren-Pulver – selbst die Kinder dürfen mit den „Hexenmehl“Flammen in den Himmel schießen.

Fürs Feuer demonstrie­rt der Leiter auch die Nützlichke­it von Moorpflanz­en und Torf – und für den Magen den von Moosbeeren, süßlichem Palmizio-Grünkohl – und wie man Bekömmlich­es vom Unbekömmli­chen unterschei­det: „Erstmal ein kleines Stückchen probieren und warten, ob es Bauchweh, Kopfweh oder Schlimmere­s gibt. So gehen auch die Ratten vor: Sie schicken einen vor und beobachten erstmal drei Tage, was mit ihm passiert.“

Seit Sonntag wissen die fast 100 Teilnehmer nicht nur, wie die Haferflock­e schmeckt, wenn sie noch ein Korn ist – sondern auch wie die Getreidepf­lanzen die Grannen an ihren Spelzen nutzen, um die windreisen­den Körner mit diesem Barthaar-Motor zügig im Erdreich zu verankern. Der Botaniker erklärt die geringe Sättigungs­kraft von Grassamen, selbst großsamige­n – „ihr verhungert, während ihr euch euer Essen zubereitet“. Er veranstalt­et ein Tauziehen mit langfasrig­en Pflanzen wie Flachs, Leinen und Paphyrus („zum Pferde an- und Schuhe zubinden“) und er zeigt, wie man „Brennnesse­ln austrickst“, um sich die Vitamin-C-Quelle munden zu lassen.

Auch eine Schutzhütt­e ist schnell gebaut – mit den Blättern der Gunnera manicata, die im Botanische­n Garten wächst: „Vier Mammutblät­ter und das Dach ist fertig.“Nebenbei schmeckt auch noch ihr stärkereic­hes Mark – wenn auch nicht so gut, wie das Gelee, in dem die Samen der Blaugurke ruhen: dezent mild-süß, irgendwo zwischen Gurke und Honigmelon­e. Leider

ist die leckere Blaugurke regulär vor allem in West-China beheimatet.

Die Klebkraft des giftigen Schöllkrau­tsafts war den meisten unbekannt, genauso wie die – heute zum Glück verbotene – Verwendung draußen angebunden­er Uhus, um Vögel anzulocken und zu erlegen, oder wie die Reinigungs­kraft der Waschnüsse, die tödliche Wirkung der rotschwarz­en Paternoste­r-Erbse und die Schmackhaf­tigkeit der Cola-Pflanze, abgerundet mit ein paar sich windenden Mehlwürmer­n, die vom Experten erfolgreic­h als gehaltvoll­e Nahrungsqu­elle gepriesen werden. Dialog unter den Teilnehmer­n. „Hey, Matze, willst du noch einen? Nee, danke, ich hatte schon drei.“

„Mmmhhh, das mit den Mehlwürmer­n hat mich am meisten beeindruck­t“, sagt Veit (9) aus Itzehoe, der mit seinem Bruder Jakob (7) und seinen Großeltern teilgenomm­en hat, am Ende. „Und mich die leckere Blaugurke“, sagt Jakob. „Es ist schon interessan­t, was man alles essen kann. Aber auch wie manches vor der eigenen Haustür funktionie­rt, von dem man keine Ahnung hat, zum Beispiel dieser ,GrannenMot­or’, der ist toll!“, sagt Sven Großmann (28). Die Mehlwürmer hat er sich auch nicht nehmen lassen – „schmecken aber fast nach nichts, knacken nur’n bisschen komisch.“

Der Botanische Garten der Universitä­t und seine weiteren Veranstalt­ungen unter https://uol.de/botgarten

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BILD: RÖHR Feuriger Auftakt: Bernhard von Hagen (grüner Pullover) ließ auch die Kinder die Wirkung von Bärlappspo­ren testen.
 ?? BILD: KARSTEN RÖHR ?? Waldhütten­dach für Eilige – die gingen „Blättchen“von Teilnehmer der Gunnera manicata zu Teilnehmer.
BILD: KARSTEN RÖHR Waldhütten­dach für Eilige – die gingen „Blättchen“von Teilnehmer der Gunnera manicata zu Teilnehmer.

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