Die Feuerkraft der Bärlappspore
Überlebens-Kurs mit Bernhard von Hagen im Botanischen Garten
Der Botanische Garten beherbergt interessante Pflanzen und Tiere. Ein Survival-Kurs brachte viele von ihnen näher.
OLDENBURG – Wie darf man sich das vorstellen: „Überleben in der Natur“, eine „Mitmach-Führung für Mutige“im Botanischen Garten? Wird man zum Uhu in die Voliere gesperrt, streichelt Kreuzottern und nascht ein paar Vogelbeeren? Das durchaus nicht. Aber es ist näher dran, als man denken könnte. Denn das Survival-Potenzial des Botanischen Gartens ist hoch – und Bernhard von Hagen, der Wissenschaftliche Leiter, genau der Richtige, um es zu vermitteln, für jedes Alter.
Ein bisschen Feuer gefällig, für Wärme und das Wildschwein am Spieß? Von Hagen demonstriert die Wirkung von Bärlappsporen-Pulver – selbst die Kinder dürfen mit den „Hexenmehl“Flammen in den Himmel schießen.
Fürs Feuer demonstriert der Leiter auch die Nützlichkeit von Moorpflanzen und Torf – und für den Magen den von Moosbeeren, süßlichem Palmizio-Grünkohl – und wie man Bekömmliches vom Unbekömmlichen unterscheidet: „Erstmal ein kleines Stückchen probieren und warten, ob es Bauchweh, Kopfweh oder Schlimmeres gibt. So gehen auch die Ratten vor: Sie schicken einen vor und beobachten erstmal drei Tage, was mit ihm passiert.“
Seit Sonntag wissen die fast 100 Teilnehmer nicht nur, wie die Haferflocke schmeckt, wenn sie noch ein Korn ist – sondern auch wie die Getreidepflanzen die Grannen an ihren Spelzen nutzen, um die windreisenden Körner mit diesem Barthaar-Motor zügig im Erdreich zu verankern. Der Botaniker erklärt die geringe Sättigungskraft von Grassamen, selbst großsamigen – „ihr verhungert, während ihr euch euer Essen zubereitet“. Er veranstaltet ein Tauziehen mit langfasrigen Pflanzen wie Flachs, Leinen und Paphyrus („zum Pferde an- und Schuhe zubinden“) und er zeigt, wie man „Brennnesseln austrickst“, um sich die Vitamin-C-Quelle munden zu lassen.
Auch eine Schutzhütte ist schnell gebaut – mit den Blättern der Gunnera manicata, die im Botanischen Garten wächst: „Vier Mammutblätter und das Dach ist fertig.“Nebenbei schmeckt auch noch ihr stärkereiches Mark – wenn auch nicht so gut, wie das Gelee, in dem die Samen der Blaugurke ruhen: dezent mild-süß, irgendwo zwischen Gurke und Honigmelone. Leider
ist die leckere Blaugurke regulär vor allem in West-China beheimatet.
Die Klebkraft des giftigen Schöllkrautsafts war den meisten unbekannt, genauso wie die – heute zum Glück verbotene – Verwendung draußen angebundener Uhus, um Vögel anzulocken und zu erlegen, oder wie die Reinigungskraft der Waschnüsse, die tödliche Wirkung der rotschwarzen Paternoster-Erbse und die Schmackhaftigkeit der Cola-Pflanze, abgerundet mit ein paar sich windenden Mehlwürmern, die vom Experten erfolgreich als gehaltvolle Nahrungsquelle gepriesen werden. Dialog unter den Teilnehmern. „Hey, Matze, willst du noch einen? Nee, danke, ich hatte schon drei.“
„Mmmhhh, das mit den Mehlwürmern hat mich am meisten beeindruckt“, sagt Veit (9) aus Itzehoe, der mit seinem Bruder Jakob (7) und seinen Großeltern teilgenommen hat, am Ende. „Und mich die leckere Blaugurke“, sagt Jakob. „Es ist schon interessant, was man alles essen kann. Aber auch wie manches vor der eigenen Haustür funktioniert, von dem man keine Ahnung hat, zum Beispiel dieser ,GrannenMotor’, der ist toll!“, sagt Sven Großmann (28). Die Mehlwürmer hat er sich auch nicht nehmen lassen – „schmecken aber fast nach nichts, knacken nur’n bisschen komisch.“
Der Botanische Garten der Universität und seine weiteren Veranstaltungen unter https://uol.de/botgarten