Nordwest-Zeitung

DEMENZ VERLÄUFT UNTERSCHIE­DLICH

Demenz-Erkrankung­en können sehr unterschie­dlich verlaufen

- VON KLAUS HILKMANN

Eine Demenz-Prognose ist für Betroffene und Angehörige oft ein Schock. Die Erkrankung kann langsam voranschre­iten, aber auch schnell zum Verlust der Selbststän­digkeit führen.

OLDENBURG – Nach aktuellen wissenscha­ftlichen Untersuchu­ngen leben in Deutschlan­d bis zu zwei Millionen Menschen mit einer mehr oder weniger stark fortgeschr­ittenen Demenz. Die Medizin geht davon aus, dass deutlich mehr als die Hälfte der Fälle Alzheimer bedingt sind. Da die Erkrankung größtentei­ls im höheren Alter auftritt, ist mit dem Anstieg des Durchschni­ttsalters der Gesellscha­ft in den nächsten Jahrzehnte­n auch mit einer erhöhten Alzheimer-Fallzahl zu rechnen. Die Deutsche Alzheimer Gesellscha­ft berichtet, dass zwei Drittel der Betroffene­n 80 Jahre und älter sind. Bei dem überwiegen­den Teil beginnt die Erkrankung ab dem 65. Lebensjahr. Nur bei zwei Prozent entsteht sie in jüngeren Jahren.

Proteine bilden Plaques

Eine Demenz kann in zahlreiche­n unterschie­dlichen Formen und Ausprägung­en auftreten. Hauptursac­he für das Entstehen ist der fortschrei­tende unwiederbr­ingliche Untergang von Nervenzell­en und Nervenzell­kontakten. Dafür verantwort­lich sind unter anderem Beta-Amyloid Plaques, die ab einem bestimmten Alter vermehrt im Gehirn abgelagert sind. Warum es dazu in welcher Stärke kommt, ist wissenscha­ftlich noch nicht geklärt.

Sicher ist, dass die Plaques entstehen, wenn in der Zellwand eingelager­te Proteine chemisch falsch verarbeite­t werden. „Dann können Teile dieser Proteine nicht mehr abgebaut werden und bilden die Plaques“, erklärt Prof. Dr. Helmut Hildebrand­t, Neuropsych­ologe und Neurologe des Klinikums Bremen-Ost und Professor am Department für Psychologi­e an der Carl von Ossietzky Universitä­t Oldenburg. Zudem lassen sich bei Alzheimer-Patienten vermehrt sogenannte Tau Proteine nachweisen: „Wenn dies der Fall ist, steigt die Wahrschein­lichkeit, dass es zu

einer klinischen Verschlech­terung der Erkrankung kommt – auch wenn die Einschränk­ungen bis dahin noch sehr mild sind.“

Wie eine Alzheimer-Erkrankung verläuft, kann man nach dem Auftreten erster Symptome nie genau voraussage­n. So gibt es Patienten, bei denen die Beschwerde­n innerhalb der ersten fünf bis zehn Jahre stabil bleiben. Meistens schreitet die Demenz allerdings schneller voran. Bei der etwas größeren Zahl der Betroffene­n tritt innerhalb von fünf Jahren eine deutliche Verschlech­terung der geistigen Leistungsf­ähigkeit ein, die später auch mit einem Kontrollve­rlust von Körperfunk­tionen verbunden ist. Zu welcher der beiden Gruppen der jeweilige Patient gehört, kann man wie bei vielen anderen neurologis­chen Erkrankung­en bei der Diagnosest­ellung nicht sagen, berichtet

Hildebrand­t: „Man kann dann nur feststelle­n, dass es einen Verlauf geben, nicht aber wie schnell dieser sein wird.“

Erhöhte Vergesslic­hkeit

Je nach Art und Aggressivi­tät der Erkrankung kann sich eine Demenz zu Beginn sehr unterschie­dlich bemerkbar machen. Bei dem überwiegen­den Teil der Erkrankten kommt es im Anfangssta­dium vor allem zu einer Beeinträch­tigung des Kurzzeitge­dächtnisse­s. Dieser Vorbote einer Demenz macht sich insbesonde­re durch eine erhöhte Vergesslic­hkeit in Alltagssit­uationen bemerkbar. Betroffene finden ihren Hausschlüs­sel nicht wieder oder vergessen große Teile eines kurz zuvor geführten Gesprächs. Dazu kommen oft Schwierigk­eiten, auf die richtigen Worte zu kommen oder sich an unbekannte­n

Orten orientiere­n zu können. Wenn nicht sofort das passende Fremdwort parat ist oder Dinge kurzzeitig in Vergessenh­eit geraten, ist das längst nicht immer ein Anzeichen für eine Demenz. Falls die Probleme aber anhalten und immer schlimmer werden, ist eine medizinisc­he Abklärung erforderli­ch.

Nicht selten wird dann eine leichte kognitive Störung festgestel­lt, was ein erhöhtes Risiko bedeutet, dass durch Progressio­n eine Demenz entwickelt wird. Für das Erstellen eines Behandlung­skonzepts ist dieser präklinisc­he Zustand von erhebliche­r Bedeutung, betont Hildebrand­t: „Zu diesem Zeitpunkt ist der Verlust von Nervenzell­en noch einigermaß­en gering. Jede spätere Interventi­on steht vor dem Problem, dass der Verlust der Nervenzell­en nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.“

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