Nordwest-Zeitung

Mord noch immer allgegenwä­rtig

Vor einem Jahr wurde auf Malta Daphne Caruana Galizia get tet

- VON LENA KLIMKEIT

Die Bloggerin hatte kritisch über die Regierende­n berichtet. Sie wurde mit einer Bombe unter ihrem Autositz get tet.

VALLETTA – Auf Malta gibt es Einfachere­s, als einer getöteten Journalist­in zu gedenken. Immer wieder verschwind­en die Kerzen, Blumen und Fotos, die im Herzen der Hauptstadt Valletta an den Mord an Daphne Caruana Galizia vor einem Jahr erinnern sollen. Dann stehen sie wieder für eine Zeit, bis sie wieder abgebaut werden. So geht das seit Monaten. Doch die Erinnerung ist hartnäckig. Das Attentat ist immer noch nicht aufgeklärt, die Rufe nach Gerechtigk­eit sind nicht verstummt.

Die umstritten­e Bloggerin, die den Inselstaat mit ihren Enthüllung­en fortwähren­d in Aufruhr versetzte, wurde am 16. Oktober 2017 mit einer Bombe unter ihrem Autositz getötet. Aktivisten haben für diesen Dienstag zu einem stillen Gedenken am Tatort aufgerufen. Die Bilder des völlig zerstörten Wagens auf dem Feld unweit des Hauses, in dem Caruana Galizia mit ihrem Mann wohnte, gingen um die Welt. Für den Mord müssen sich drei Angeklagte vor Gericht verantwort­en – obwohl keiner so recht glaubt, dass sie es waren, die Caruana Galizia zum Schweigen bringen wollten.

Auch ein Jahr später ist der Mord auf der Insel noch Gesprächst­hema Nummer eins. Caruana Galizia schonte niemanden, weder den Ministerpr­äsidenten Joseph Muscat noch enge Kollegen. „Kritik ist ein essenziell­er Teil des demokratis­chen Lebens. Wenn du damit nicht umgehen kannst, versuch es in Peking.“Es sind Sätze wie diese, mit denen sich Caruana Galizia einen Namen machte. Auszüge aus den Artikeln ihres Blogs „Running Commentary“, das Pflichtlek­türe auf der Insel war, werden nahezu täglich auf dem Twitter-Konto„Notes From Daphne“veröffentl­icht. Für ihre Umtriebigk­eit wurde Caruana Galizia geachtet und gehasst.

„Viele sind gleichgült­ig, wenn nicht glücklich, dass Daphne nicht länger arbeiten kann“, sagt Manuel Delia. Er berichtet selbst auf seinem Blog über die Missstände auf Malta, ist aber der festen Überzeugun­g, dass dies niemand besser konnte als Caruana Galizia. „Die maltesisch­e Regierung und ihre Unterstütz­er leugnen, dass im Hintergrun­d irgendetwa­s ziemlich schief läuft. Sie leugnen die Existenz von Korruption, und sie verweigern sich, die Beweise dafür anzuerkenn­en.“

Wegen ihrer brisanten Recherchen vermutet Caruana Galizias Familie, dass die 52Jährige aus politische­n Motiven ermordet wurde. Caruana Galizia berichtete unter anderem über Korruption und Geldwäsche und bezichtigt­e auch Regierungs­vertreter. Die Hinterblie­benen fordern seit Langem, dass die Rolle der maltesisch­en Regierung in dem Fall untersucht wird. Eine Gruppe von Abgeordnet­en im Europaparl­ament appelliert­e nun an die EU-Kommission, sich der Forderung nach einer öffentlich­en Untersuchu­ng anzuschlie­ßen. In einem Brief drückten sie ihre Besorgnis angesichts neuer Enthüllung­en in dem Fall aus.

Eine Gruppe internatio­naler Journalist­en, die sich als „Daphne Project“zusammenge­schlossen haben, hatte über Verbindung­en des Wirtschaft­sministers Chris Cardona zu einem der mutmaßlich­en Mörder berichtet, über Treffen, die vor und nach dem Mord stattgefun­den haben sollen.

Cardona weist die Anschuldig­ungen als „spekulativ“, „schädlich“und „falsch“zurück und erhebt schwere Vorwürfe gegen Journalist­en. Es würden Fakten verdreht, damit diese in eine Erzählung passten, die sie „beharrlich versuchen durchzuset­zen“. Caruana Galizia hatte auch Cardona im Visier. Sie hatte ihn beschuldig­t, während eines Staatsbesu­chs in Deutschlan­d ein Bordell besucht zu haben.

Wem und was man glauben kann, wissen die Menschen auf Malta schon lange nicht mehr. Und das Dickicht aus mutmaßlich­en Verstricku­ngen auf der Insel scheint zu dicht, als dass die Hintergrün­de des Mordes jemals geklärt könnten. Dass sich kürzlich ein hochrangig­er Polizist wegen möglicher Befangenhe­it von den Ermittlung­en zurückzog, ist für die Familie ein weiterer Beweis, dass ihr Recht auf eine faire und unparteiis­che Untersuchu­ng des Falls verletzt wurde.

 ?? DPA-BILD: KLIMKEIT ?? Blumen stehen vor einem Foto der ermordeten Journalist­in Daphne Caruana Galizia in Valletta.
DPA-BILD: KLIMKEIT Blumen stehen vor einem Foto der ermordeten Journalist­in Daphne Caruana Galizia in Valletta.

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