Nachtragend
D ie geschockte SPD-Spitzenkandidatin in Bayern, Natascha Kohnen, kommentierte hilflos das desaströse Abschneiden ihrer Partei, die über die Hälfte ihres Stimmanteils verloren hat, mit der Feststellung, viele Wähler hätten „eine Skepsis, was die Sozialdemokraten angeht“. Andere führende Genossen sprachen davon, dass man nun Glaubwürdigkeit zurückgewinnen müsse. Mitleiderregender hätte die Bilanz kaum ausfallen können, denn Kohnen und ihre bayerischen Mitstreiter konnten am allerwenigsten für das Debakel, das sich schon Wochen vorher abgezeichnet hatte, jedoch heftiger ausfiel als zuvor in den schlimmsten Albträumen der Genossen.
Dass nun über personelle Konsequenzen bei der SPD im südlichsten Bundesland diskutiert wird, lässt Schlimmes für die SPD befürchten. Schmallippig und kurz angebunden wertete in Berlin die SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles das bayerische Armageddon. Zwar sind sicher auch die „schwache Performance“der Groko (Nahles) oder die „politische Geisterfahrt von Söder und Seehofer“(Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann) Gründe für den erdrutschartigen Stimmenverlust der SPD. Doch die wesentliche Ursache, warum besonders die SPD abgestraft wurde, liegt früher: Nahles und der gesamte SPD-Bundesvorstand hatten nach der Bundestagswahl alle Warnungen in den Wind geschlagen, sich erneut auf eine Große Koalition einzulassen, und sich stattdessen vehement dafür eingesetzt, obwohl vor der Wahl genau das Gegenteil erklärt worden war.
Tatsächlich geht es ganz grundsätzlich um die Glaubwürdigkeit von Politik. Gerade die Volksparteien haben sie verspielt, insbesondere die SPD mit ihrem Taktieren nach der Bundestagswahl. Zwar hat das Wahlvolk so etwas schon immer wenig goutiert, es aber meistens bis zur nächsten Wahl wieder vergessen, weil andere Themen sich in den Vordergrund schoben. Das ist jetzt grundlegend anders, der Wähler ist nachtragend. Die Folge liegt auf der Hand: Kommt es zu einem ähnlichen Scheitern in Hessen, wird das mit einiger Wahrscheinlichkeit zum Ende der Groko in Berlin führen. Für die SPD könnte das zu spät sein.
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