Auf der rechten Flanke verloren
Von bürgerlichen Mehrheiten und dem Versagen der CSU in Bayern
Autor dieses Beitrages ist Alexander Will. Er schreibt für diese Zeitung über deutsche und internationale Politik. @Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de
Wer Realitätsblindheit erleben wollte, musste am Montagmorgen nur SPD-Politikern zuhören. Außenminister Heiko Maas etwa verweigerte sich einer Analyse des Desasters seiner Partei – und schoss aus allen Rohren gegen die CSU, die er tatsächlich als Hauptverlierer der Bayernwahl sieht.
Dabei stellt sich der Ausgang der Bayernwahl bei genauerem Hinsehen als sehr viel facettenreicher dar, als es im ersten Moment erscheint. Vor allem das grobe Narrativ von der CSU, die mit angeblicher Übernahme von AfD-Positionen die Wähler reihenweise ans linke Lager verloren habe, ist nicht haltbar.
Zuerst gilt es festzustellen: In Bayern existiert eine stabile bürgerliche Mehrheit – die sich allerdings auf mehrere Parteien aufgesplittert hat. CSU, Freie Wähler (FW) und FDP kommen gemeinsam auf fast 54 Prozent. Rechnet man die AfD hinzu, deren Wähler in der Mehrzahl durchaus von bürgerlichen Parteien erreichbar wären, sind es sogar rund 64 Prozent. Nach der Wahl 2013 kamen CSU, FDP und FW auf 60 Prozent. Die AfD war damals noch nicht angetreten.
Die Erzählung von einer wie auch immer gearteten Protestwahl gegen „rechtspopulistische“Politikkonzeptieren te entpuppt sich also als Mär. Wenn NRW-Ministerpräsident Armin Laschet der Union als Lehre aus der Bayernwahl empfiehlt, weiter den Merkelschen Linkskurs zu verfolgen, gibt er genau den falschen Rat. Die Wahl wurde von der CSU nämlich eindeutig auf dem rechten Flügel verloren. Mit einem Kurs nach Links gibt es für die Christsozialen also nichts zu gewinnen.
Das belegt auch der Blick auf die Wählerwanderung. Die CSU hat zwar rund 170 000 Wähler an die Grünen
verloren – aber fast doppelt so viele, nämlich jeweils 160 000, an AfD und FW. Zudem gelang es der CSU, 270 000 Nichtwähler für sich zu mobilisieren. Das ist zum einen der höchste Wert aller bayerischen Parteien, und zum anderen wird dadurch der Verlust an die Grünen deutlich überkompensiert. Darüber hinaus gewann die CSU auch noch rund 100 000 Stimmen von der SPD hinzu.
Auf der Linken vollzog sich im Grunde nur ein Positionswechsel zwischen SPD und Grünen. Besonders eindrucksvoll wird das bei einem Blick nach München deutlich. Dort erreichte die SPD 13,6 Prozent, die Grünen 30,3. Bei der letzten Wahl lagen die Dinge umgekehrt: Die SPD lag bei 32,1 Prozent, die Grünen bei 12,1. Die Grünen gewannen 18,2 Prozent hinzu. Die SPD verlor 18,5 Prozent. Nur ein Zufall? Kaum
Mindestens in München und Bayern insgesamt haben die Grünen die alte Arbeiterpartei SPD als führende linke Kraft abgelöst – ein Prozess, der sich so deutschlandweit fortsetzen dürfte. Auch im vermeintlich roten München liegen Bürgerlicher und Linksblock im Übrigen nicht weit auseinander. CSU, FDP, FW und AfD kommen auf rund 46 Prozent, SPD, Grüne und Linke auf 48,5.
Was also ist passiert? Die Erklärung könnte zum einen in einem taktischen und strategischen Versagen der CSU und ihrer Führung und zum anderen in milieubedingten Veränderungen zu finden sein. Die Freien Wähler sind Fleisch vom Fleische der CSU. Sie haben sich einige klassische politische Positionen der alten CSU erhalten und rekru- sich im Übrigen aus denjenigen Kreisen, die im Grunde konservativ ticken, aber von einer verkalkten Einheitspartei mit dem daran unweigerlich hängenden Filz nichts wissen wollen. Genau das aber ist die CSU in den Jahrzehnten fast unbeschränkter Macht geworden.
Die Verluste an die AfD dürften vor allem mit der fatalen Rolle der CSU in der Asylpolitik zu erklären sein. Nicht nur einmal kraftmeierten Seehofer & Co in dieser Frage in Berlin – nur um dann wieder und wieder einzuknicken. Nicht ein strengeres und begrenzendes Programm für die Einwanderungspolitik war also für die CSU fatal. Es war die Überzeugung so manchen Wählers, dass diese Partei ein solches niemals ernsthaft umsetzen wird.
Die Grünen dagegen profitieren paradoxerweise vom wirtschaftlichen Aufschwung Bayerns. Ihre Hochburgen liegen in den Städten – und besonders in den Städten mit Universitäten, die ob der Investitionen in die Bildung blühen. Das Milieu der postmodernen, urbanen Akademiker ist aber die Basis der Grünen. So spült also die Wirtschaftskraft dieses Bundeslandes eine Partei zum Erfolg, die durch ihre Technologieskepsis genau diesen Wirtschaftserfolg gefährden könnte.