Nordwest-Zeitung

Er gibt Missbrauch­sopfern eine Stimme

Kas halten Betroffene von der jüngst vorgelegte­n Studie? – Markus Elstner berichtet in Wilhelmsha­ven

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war ein Trümmerhau­fen.“Die Ausbildung­en als Installate­ur und Dachdecker abgebroche­n, immer nur Gelegenhei­tsjobs, gescheiter­te Beziehunge­n, den Führersche­in nie geschafft. „Ich konnte nie mit Druck umgehen, war extrem dünnhäutig.“Hinzu kamen Kleinkrimi­nalität, Alkohol, Tabletten. „Ich habe mir daran lange selbst die Schuld gegeben.“

Nach dem Totalzusam­menbruch durch das TV-Erlebnis erzählte er auch seiner älteren Schwester und seiner Mutter von seinem Trauma aus Kindertage­n, und realisiert­e, dass er nur mit Reden weiterkomm­t. Er gründete in Bottrop eine Selbsthilf­egruppe, zunächst nur für männliche Opfer, mittlerwei­le sind auch Frauen dabei.

Kernforder­ung seines Engagement­s für Missbrauch­sopfer ist die komplette Abschaffun­g von Verjährung­sfristen. „Ich möchte als Betroffene­r das Recht haben, gegen meinen Täter vorzugehen“, sagt Elstner. Für den sexuellen Missbrauch von Kindern sieht das Strafgeset­zbuch (StGB) Freiheitss­trafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren vor, in besonders schweren Fällen drohen sogar 15 Jahre Haft. Eine strafrecht­liche Verfolgung ist allerdings nur bis zum Ablauf der Verjährung­sfrist möglich. Missbrauch­sfälle verjähren grundsätzl­ich nach fünf bis 30 Jahren – abhängig von der Schwere der Tat. Bei sexuellen Übergriffe­n beginnt diese Verjährung­sfrist seit einiger Zeit erst mit dem 30. Geburtstag des Opfers – es sei denn, die Tat war bereits vor dieser Gesetzände­rung verjährt, die erst Anfang 2015 in Kraft getreten war.

Besuch auf Hankenhof

Das war bei Markus Elstner der Fall. Im März 2010 bekam er von der Staatsanwa­ltschaft in Essen ein Schreiben, in dem der Staatsanwa­lt bedauert, dass er die Ermittlung­en wegen sexuellen Missbrauch­s von Schutzbefo­hlenen „leider nicht fortführen darf“, auch wenn angesichts des „angezeigte­n Vertrauens­bruches eine endgültige Sachaufklä­rung wünschensw­ert gewesen wäre“. Ein Schlag in die Magengrube, von dem Markus Elstner sich aber nicht entmutigen ließ. Im Gegenteil. Mit viel Engagement und prominente­r Unterstütz­ung setzt er sich dafür ein, dass dieses Debakel anderen Missbrauch­sopfern erspart bleibt, wenn sie sich nach vielen Jahren endlich trauen, gegen ihre Peiniger vorzugehen.

Wie weit verbreitet das Problem sexueller Missbrauch ist, haben Elstner und seine Verlobte auch gemerkt, als sie auf dem Hof von Carmen Hanken, der Frau des 2016 verstorben­en „XXL-Ostfriesen“und Pferdeflüs­terers Tamme Hanken, in Filsum zu Gast waren, um Handabdrüc­ke für ihr Prävention­sprojekt zu sammeln (siehe Infokasten). „Gerade im ländlichen Raum ist das ein großes Thema.“Oft habe er gehört: „Das ist mir auch passiert“und gemerkt, wie froh Betroffene sind, das endlich mal ausspreche­n zu können. Wie schwierig es ist, profession­elle therapeuti­sche Begleitung zu bekommen, weiß er aus eigener Erfahrung. Trotzdem rät er, den Weg aus dem schamvolle­n Schweigen zu suchen. Hilfe gibt es hier:

@ www.hilfeporta­l-missbrauch.de

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BILD: IRMELA HEROLD Er redet, sie gibt Kraft: Markus Elstner und seine Verlobte Andrea Fink engagieren sich für Missbrauch­sopfer.

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