Nordwest-Zeitung

Anfechtung von gemeinscha­ftlichen Testamente­n

2. Teil: Bei Wiederverh­eiratung können weitere erbberecht­igte Personen das Testament anfechten

- VON MAT ULF KÜNNEMANN

Die gemeinscha­ftliche Testament steht bezüglich seiner Bindungswi­rkung zwischen dem einseitige­n Testament und dem Erbvertrag.

Zu Lebzeiten können die Erblasser ihre getroffene­n Verfügunge­n – unter Beachtung der notwendige­n notarielle­n Beurkundun­g (§§ 2271, 2296 BGB) – jederzeit widerrufen. Dies gilt auch für wechselbez­ügliche Verfügunge­n, die ein Ehegatte nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen hätte. Bezüglich dieser wechselbez­üglichen Verfügunge­n tritt nach dem Tod eines Ehegatten eine Bindungswi­rkung ein, vergleichb­ar mit der eines Erbvertrag­es.

Anfechtung­sgründe und Anfechtung­srechte

Hauptanwen­dungsfall der Anfechtung von Testamente­n ist neben relevanten Irrtümern, einer Täuschung oder einer Drohung (§ 2078 BGB) das nachträgli­che Hinzutrete­n oder Bekanntwer­den weiterer pflichttei­lsberechti­gter Personen, insbesonde­re aufgrund einer Eheschließ­ung, der Geburt eines weiteren Dr. Ulf Künnemann LL.M. Rechtsanwa­lt, Wirtschaft­sprüfer, Steuerbera­ter sowie Fachanwalt für Erbrecht, Steuerrech­t, Handels- und Gesellscha­ftsrecht Kindes oder der nachträgli­chen Kenntnis von der Existenz eines weiteren Kindes (§ 2079 BGB). Personen, die pflichttei­lsberechti­gt sind, können das gemeinscha­ftliche Testament anfechten (§ 2079 BGB). Aber auch der überlebend­e Ehegatte hat die Möglichkei­t der sog. „Selbstanfe­chtung“. Diese Anfechtung richtet sich entspreche­nd § 2281 BGB nach den Regeln der Anfechtung eines Erbvertrag­es.

Beachtlich­keit des Anfechtung­sgrundes aus Sicht des Erblassers

Auch bei einer Selbstanfe­chtung durch den überlebend­en Ehegatten muss ein entspreche­nder Anfechtung­sgrund vorliegen. Voraussetz­ung für die Anfechtung ist weiterhin in jedem Fall, dass der Erblasser die Verfügung bei Kenntnis der zukünftige­n Sachlage nicht getroffen hätte. Umgekehrt kann der Erb- lasser daher nach herrschend­er Auffassung bereits im Erbvertrag oder im Rahmen des gemeinscha­ftlichen Testamente­s auf sein künftiges Anfechtung­srecht ganz oder teilweise verzichten – ein Gestaltung­smittel, das im Rahmen der Beratung zur Verfassung gemeinscha­ftlicher Testament leider zu wenig Beachtung findet.

Ausschluss des Anfechtung­srechtes

Die Anfechtung ist allerdings ausgeschlo­ssen, wenn der betreffend­e Erblasser (d.h. der überlebend­e Ehegatte) nach Kenntnis des Anfechtung­sgrundes einen Zeitraum von mehr als einem Jahr verstreich­en lässt (§ 2283 BGB). Diese Frist gilt auch für die Anfechtung eines Erbvertrag­es oder eines gemeinscha­ftlichen Testamente­s durch Dritte (§ 2285 BGB). Der BGH hat in einer neueren Entscheidu­ng vom 25. Mai 2016 (Az. IV ZR 205/15) bestätigt, dass der Verlust des Selbstanfe­chtungsrec­htes des Erblassers gemäß § 2283 BGB auch auf die Anfechtbar­keit wechselbez­üglicher Verfügunge­n durch Dritte Anwendung findet – eine Konsequenz, die im Rahmen der Anfechtung gemeinscha­ftlicher Testamente vielfach zu wenig nicht beachtet wird.

Form der Anfechtung

Die Anfechtung ist durch den Anfechtung­sberechtig­te höchstpers­önlich und in notariell beurkundet­er Form gegenüber dem Nachlassge­richt zu erklären (§§ 2281, 2282 BGB).

Rechtsfolg­en der Anfechtung

Rechtsfolg­e der (Selbst-)Anfechtung ist nicht die Unwirksamk­eit des gesamten Testamente­s, sondern zunächst nur die Unwirksamk­eit der jeweiligen angefochte­nen Verfügung. Diese hat im Zweifel auch die Unwirksamk­eit der damit im Zusammenha­ng stehenden wechselbez­üglichen Verfügunge­n zur Folge. Andere Verfügunge­n bleiben im Zweifel wirksam. IIn steuerlich­er Hinsicht führt die Anfechtung eines Testamente­s als rückwirken­des Ereignis zu einer Berichtigu­ng des maßgeblich­en Erbschafts­teuerbesch­eides (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO).

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