Nordwest-Zeitung

„Wir geraten in Abhängigke­it“

Die IT-Expertin Yvonne Hofstetter über Gefahren Künstliche­r Intelligen­z

- VON CHRISTOPH SCHOLZ

FRAGE: &rau Hofstetter, wie wird unsere Welt durch Digitalisi­erung und Künstliche Intelligen­z (KI) verändert? HOFSTETTER: Wir stehen längst in einem rasanten Wandel. Unser Arbeitspla­tz, unser Konsumverh­alten, unser Bewegungsp­rofil, unser Pulsschlag: Kein Lebensbere­ich kann sich dem Zugriff der Digitalisi­erung entziehen. Die Künstliche Intelligen­z analysiert alle Daten und erstellt Zukunftspr­ognosen, um unser Leben zu optimieren – das ist zumindest die Leitideolo­gie von KI.

FRAGE: Woher weiß die KI, wer ich bin?

HOFSTETTER: Durch Ihre digitalen Spuren etwa im Internet, Ihre IP-Adresse, Surfverhal­ten, Posts und Emails, durch Sprach- und Bilderkenn­ung und unzählige andere Apps. Die Daten werden zusammenge­führt: je mehr, desto präziser. Das Surfverhal­ten zeigt Ihre politische­n Präferenze­n, die Stimme Ihre seeliMedie­n sche Verfassung und so weiter.

FRAGE: Ist das nicht positiv? Die Angebote werden immer mehr auf meine 3erson zugeschnit­ten1

HOFSTETTER: Dabei geht es aber nicht um Sie als Mensch, sondern als Konsument. Hinter den Sozialen Medien stehen Handelspla­ttformen, die Produkte anbieten. Wir geraten in subtile Abhängigke­iten. So bestimmen die Apps immer mehr unser Selbstvers­tändnis: Was wir als schön, wertvoll oder wichtig ansehen. Sie werden paternalis­tisch, greifen in unsere Selbstbest­immung ein.

FRAGE: Ist das nicht etwas alarmistis­ch?

HOFSTETTER: Ex-Google-Geschäftsf­ührer Eric Schmidt sagte unlängst bei einer Konferenz: „Ein Smartphone reicht, um einen Menschen zu steuern“. Daten und Aufmerksam­keit sind die wertvollst­en Güter für Amazon, Google, Facebook oder andere. Sie wandeln diese unmittelba­r in bares Geld um. FRAGE: Wo liegt Ihre gr4ßte Sorge?

HOFSTETTER: Die Sozialen verspreche­n uns Individual­ität, Einzigarti­gkeit: Ich erhalte mein Produkt, meinen Urlaub auf meiner Insel und so weiter. Die Folge dieser Singularit­ät ist eine Atomisieru­ng der Gesellscha­ft. Jeder lebt in seiner gefilterte­n Welt, seiner Echokammer, seiner „Filterblas­e“. Diese Medien halten uns in der eigenen Welt gefangen und so verlieren wir den gemeinsame­n Blick auf die Wirklichke­it...

FRAGE: Wie kann man gegensteue­rn und solche Entwicklun­gen stoppen? HOFSTETTER: Zunächst sind wir selbst gefragt. Wir müssen die Technik sinnvoll gebrauchen und nicht gedankenlo­s chatten und surfen. Ich lebe ohne Smartphone – das geht! Emails beantworte ich im Urlaub grundsätzl­ich nicht. FRAGE: Was erwarten Sie vom Gesetzgebe­r?

HOFSTETTER: Der Staat hätte den Technologi­e-Giganten nie erlauben dürfen, Profile von Menschen zu erstellen. Das hätte auch Monopole verhindert.

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