Wurzfristig wird es teuer
Professor Marcel Fratzscher (47) ist seit 2013 Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.
FRAGE: Fundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will die Euro-Zone mit einer europäischen Arbeitslosenversicherung stabilisieren. Ist das ein weiterer Schritt in eine Transferunion?
FRATZSCHER: Mit dem Begriff „Transferunion“kann man in Deutschland vielen Angst einjagen, deshalb missbrauchen auch einige diesen Begriff absichtlich. Aber bei den notwendigen Reformen des Euroraums geht es nicht darum, eine Transferunion zu schaffen, sondern eine Versicherungsunion, von der auch Deutschland profitieren wird. FRAGE: Wie muss man sich diese Arbeitslosenversicherung vorstellen? Wie würde Deutschland profitieren? FRATZSCHER: Diese Arbeitslosenversicherung ist ein Stabilisierungsmechanismus im Falle von konjunkturellen Krisen, die Länder des Euroraums unterschiedlich stark treffen. So hätte beispielsweise Deutschland vor 15 Jahren von einem solchen Mechanismus sehr wohl profitiert. FRAGE: Thema Brexit. Eine längere Übergangsphase für das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU soll Entspannung schaffen. Macht es Sinn, sich mehr Zeit zu lassen? FRATZSCHER: Ja, denn es läuft darauf hinaus, dass es nach der Übergangsphase ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien geben wird. Wir wissen, dass eine solche Verhandlung durchschnittlich sieben Jahre dauert. Deshalb sollte man sich genug Zeit für die Übergangsphase nehmen. Gleichzeitig muss jetzt genau festgelegt werden, wie lange diese Phase dauern wird und was danach kommt. Denn Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft, deshalb geht es jetzt darum, so viel Klarheit wie möglich zu schaffen. FRAGE: Was würde ein NoDeal für die deutsche Wirtschaft bedeuten? FRATZSCHER: Ein No-Deal, sprich ein harter Brexit, wäre verheerend. Die deutsche Wirtschaft exportiert sehr viel in das Vereinigte Königreich, insbesondere die Autoindustrie, und wäre da sehr exponiert. Ein Scheitern der Verhandlungen, die nun seit zwei Jahren andauern, würde auch ein fatales Signal für die Handlungsfähigkeit der Politik senden. Und das wäre auch Gift für die Konjunktur, über die unmittelbaren Folgen für den Handel hinaus. Trotzdem glaube ich, dass die deutsche Wirtschaft langfristig gut aufgestellt und hervorragend global diversifiziert ist, also diese Kosten verkraften kann. Aber kurzfristig würde es für die deutsche Wirtschaft teuer, und auch für die deutschen Konsumenten und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.