Löw kann erstmal durchatmen
Bundestrainer sitzt dank guten Auftritts junger Spieler wieder fester im Sattel
:as 1:2 in Frankreich entschärfte die Situation für Löw. :ennoch droht in der Nations League der Abstieg.
PARIS – Als sich die Wege von Joachim Löw und seinen Nationalspielern am Mittwoch in Paris trennten, war es kein Abschied für immer. Trotz einer historischen Pleite bei Weltmeister Frankreich hat der endlich mit Reformwillen ausgestattete Bundestrainer seine Kritiker erst einmal verstummen lassen und sitzt wieder fester im Sattel.
Selten hat eine Niederlage eine Krisensituation im Fußball so entschärft wie das 1:2 der DFB-Elf in der Nations League bei der Équipe Tricolore. Bei der Abreise konnte Löw dank seiner jungen Wilden durchatmen. „Wir waren mit der besten Mannschaft der Welt auf Augenhöhe“, stellte der Bundestrainer fest.
Sein runderneuertes Team war im Stade de France von St. Denis eine Stunde lang die bessere Mannschaft, schlug daraus aber „zu wenig Kapital“, so Löw. Dennoch: Der nach dem WM-Debakel endlich mit Leben gefüllte Neustart machte nicht nur DFBPräsident Reinhard Grindel „Mut für die Zukunft“.
Löw hatte die richtigen Lehren aus der 0:3-Demütigung beim Erzrivalen Niederlande gezogen. Acht Spieler aus der deutschen Startelf waren 25 Jahre oder jünger. Die Dreier- bzw. Fünferkette agierte taktisch flexibel, im Angriff stellten Leroy Sané, Timo Werner und Serge Gnabry die Franzosen mit ihrer Schnelligkeit vor Probleme. Es sei daher eine der Niederlagen gewesen, „die am meisten Spaß gemacht hat. Weil der Ball sehr gut lief“, sagte Toni Kroos. Der Schütze des Führungstreffers (14., Handelfmeter) sah daher „keinen Grund, dass wir uns alle erschießen.“
Trotz guter Möglichkeiten verpasste es das DFB-Team aber, in seiner stärksten Phase entscheidend nachzulegen. „Es ist vielleicht die Cleverness und die Reife, die fehlt, um da eiskalt zuzuschlagen“, sagte Löw. Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff vermisste „die Kaltschnäuzigkeit“. Der Abschluss bleibt nach nur elf Toren in den vergangenen 13 Länderspielen die größte Baustelle.
Löw erhielt ungeachtet dieser mageren Ausbeute viel Rückendeckung von seinen Spielern. „Man hat gesehen, dass die Mannschaft absolut hinter ihm steht und er die richtigen Maßnahmen trifft“, sagte Thomas Müller. Der formschwache Münchner war ein „Opfer“von Löws Neuausrichtung und schmorte bis zur
88. Minute auf der Bank. Kapitän Manuel Neuer betonte, dass „der Trainer immer den Weg des modernen Fußballs mitgegangen“sei. „Der Jogi“, so Neuer, „entwickelt sich mit uns weiter.“Daher sei „keiner auf den Gedanken gekommen, dass es keine Zukunft für unseren Bundestrainer gibt“. In der unmittelbaren Zukunft droht der DFBElf allerdings der Sturz in die europäische Zweitklassigkeit. Den Klassenerhalt hat das Löw-Team vor dem Spiel am
19. November gegen die Niederlande nicht mehr in der eigenen Hand. Zudem bedeutete die Niederlage in Frankreich einen Negativrekord in der Länderspiel-Geschichte von sechs Pleiten in einem Jahr. In nur einem der elf Länderspiele 2018 blieb die deutsche Auswahl ohne Gegentor. Das ist die schlechteste Bilanz seit 54 Jahren.
Die Zweifel an Löw sind dennoch vorerst zerstreut. Bierhoff wertete den Auftritt mit Blick auf Löw als „wichtiges, gutes Zeichen“. Grindel betonte, dass man „mit Zuversicht auf die nächsten Wochen schauen“könne. Löw meinte: „Über allem steht die EM-Qualifikation.“Er dürfte bei diesem Weg weiter dabei sein. Dank einer Niederlage.
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