Nordwest-Zeitung

Löw kann erstmal durchatmen

Bundestrai­ner sitzt dank guten Auftritts junger Spieler wieder fester im Sattel

- VON OLIVER MUCHA

:as 1:2 in Frankreich entschärft­e die Situation für Löw. :ennoch droht in der Nations League der Abstieg.

PARIS – Als sich die Wege von Joachim Löw und seinen Nationalsp­ielern am Mittwoch in Paris trennten, war es kein Abschied für immer. Trotz einer historisch­en Pleite bei Weltmeiste­r Frankreich hat der endlich mit Reformwill­en ausgestatt­ete Bundestrai­ner seine Kritiker erst einmal verstummen lassen und sitzt wieder fester im Sattel.

Selten hat eine Niederlage eine Krisensitu­ation im Fußball so entschärft wie das 1:2 der DFB-Elf in der Nations League bei der Équipe Tricolore. Bei der Abreise konnte Löw dank seiner jungen Wilden durchatmen. „Wir waren mit der besten Mannschaft der Welt auf Augenhöhe“, stellte der Bundestrai­ner fest.

Sein runderneue­rtes Team war im Stade de France von St. Denis eine Stunde lang die bessere Mannschaft, schlug daraus aber „zu wenig Kapital“, so Löw. Dennoch: Der nach dem WM-Debakel endlich mit Leben gefüllte Neustart machte nicht nur DFBPräside­nt Reinhard Grindel „Mut für die Zukunft“.

Löw hatte die richtigen Lehren aus der 0:3-Demütigung beim Erzrivalen Niederland­e gezogen. Acht Spieler aus der deutschen Startelf waren 25 Jahre oder jünger. Die Dreier- bzw. Fünferkett­e agierte taktisch flexibel, im Angriff stellten Leroy Sané, Timo Werner und Serge Gnabry die Franzosen mit ihrer Schnelligk­eit vor Probleme. Es sei daher eine der Niederlage­n gewesen, „die am meisten Spaß gemacht hat. Weil der Ball sehr gut lief“, sagte Toni Kroos. Der Schütze des Führungstr­effers (14., Handelfmet­er) sah daher „keinen Grund, dass wir uns alle erschießen.“

Trotz guter Möglichkei­ten verpasste es das DFB-Team aber, in seiner stärksten Phase entscheide­nd nachzulege­n. „Es ist vielleicht die Cleverness und die Reife, die fehlt, um da eiskalt zuzuschlag­en“, sagte Löw. Nationalma­nnschaftsd­irektor Oliver Bierhoff vermisste „die Kaltschnäu­zigkeit“. Der Abschluss bleibt nach nur elf Toren in den vergangene­n 13 Länderspie­len die größte Baustelle.

Löw erhielt ungeachtet dieser mageren Ausbeute viel Rückendeck­ung von seinen Spielern. „Man hat gesehen, dass die Mannschaft absolut hinter ihm steht und er die richtigen Maßnahmen trifft“, sagte Thomas Müller. Der formschwac­he Münchner war ein „Opfer“von Löws Neuausrich­tung und schmorte bis zur

88. Minute auf der Bank. Kapitän Manuel Neuer betonte, dass „der Trainer immer den Weg des modernen Fußballs mitgegange­n“sei. „Der Jogi“, so Neuer, „entwickelt sich mit uns weiter.“Daher sei „keiner auf den Gedanken gekommen, dass es keine Zukunft für unseren Bundestrai­ner gibt“. In der unmittelba­ren Zukunft droht der DFBElf allerdings der Sturz in die europäisch­e Zweitklass­igkeit. Den Klassenerh­alt hat das Löw-Team vor dem Spiel am

19. November gegen die Niederland­e nicht mehr in der eigenen Hand. Zudem bedeutete die Niederlage in Frankreich einen Negativrek­ord in der Länderspie­l-Geschichte von sechs Pleiten in einem Jahr. In nur einem der elf Länderspie­le 2018 blieb die deutsche Auswahl ohne Gegentor. Das ist die schlechtes­te Bilanz seit 54 Jahren.

Die Zweifel an Löw sind dennoch vorerst zerstreut. Bierhoff wertete den Auftritt mit Blick auf Löw als „wichtiges, gutes Zeichen“. Grindel betonte, dass man „mit Zuversicht auf die nächsten Wochen schauen“könne. Löw meinte: „Über allem steht die EM-Qualifikat­ion.“Er dürfte bei diesem Weg weiter dabei sein. Dank einer Niederlage.

PRO B CONTRA AUF SEITE 4

 ?? AP-BILD: FRANCOIS MORI ?? Einer der jungen Neuen im Team: Joachim Löw (links) redet auf Linksverte­idiger Nico Schulz ein.
AP-BILD: FRANCOIS MORI Einer der jungen Neuen im Team: Joachim Löw (links) redet auf Linksverte­idiger Nico Schulz ein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany