Nordwest-Zeitung

Die Liebe in der Nähe der Weser

Porträt des Overbeck-Museums in >egesack – 2019 wird K?nstlerpaar ge@eiert

- VON REINHARD TSCHAPKE

Beleitet wird das Haus seit 2011 von Katja Pourshiraz­i. Was heißt leiten? Die 41-Jährige lebt das Museum. Ein Kind hat sie sogar mal als „Frau Overbeck“angesproch­en – ein =ob.

VEGESACK – „Kistentod AG“hieß die Firma mal. Sie residierte in dem Gebäude. Das war in den 1920er Jahren, und die Firma verpackte Sachen nah an der Weser – nicht in Holzkisten, wie damals üblich, sondern in Kartons.

Die Firma verschwand nach zwei Jahren. Den Namen behielten die Bremer für das alte Klinkergeb­äude bei. In ihrer praktische­n Art hatten sie aus Kistentod das Kürzel Kito gemacht. Dort residiert seit 1990 im zweiten und dritten Stock des Kitos das Overbeck-Museum. Und Museumslei­terin Katja Pourshiraz­i macht gleich klar, dass der Name Programm ist: „Der steht für das Malerpaar Fritz und Hermine Overbeck.“Die Gattin mal mehr als nur Malermuse?

Spezielle Fenster

Ja, sagt Pourshiraz­i. Hermine Overbeck stellte zwar nie öffentlich aus, hatte aber ihren eigenen, modernen Stil. Sie war Gattin, Künstlerin und Kollegin. Und sie hatte ihr Schicksal. Kennengele­rnt hatte Hermine ihren Fritz nach einem Briefwechs­el. Sie hatte sich verliebt – in ein Bild von Overbeck, in den berühmten „Abend im Moor“von 1896.

Die Liebe zum Maler, erklärt Pourshiraz­i lächelnd, kam aber sofort danach zustande. Maler und Malschüler­in wurden ein Paar. Doch Hermine wurde schwer krank. Sie musste nach Davos in eine Klinik, bekam einen Lungenflüg­el entfernt und kehrte kränklich zurück.

Das war 1909, und damals dachte jeder: Er wird sie überleben. Es kam anders: Drei Tage nach ihrer Rückkehr vom „Zauberberg“starb plötzlich 39-jährig Fritz Overbeck an einem Hirnschlag. Er ist auf dem Waller Friedhof beerdigt. Hermine überlebte ihren Gatten lange und starb bei einem Autounfall in Bremen. Ihr Wagen kollidiert­e 1937 mit einer Straßenbah­n.

Heute lebt noch eine Enkelin in Vegesack. Gertrud Overbeck ist 85 Jahre alt und wohnt gleich in der Nähe, ohne sich in laufende Geschäfte einzumisch­en. Sie hat das Museum gegründet und hervorrage­nd aus dem großen Familienbe­sitz bestückt. Der gebürtige Bremer Fritz Overbeck, einer der Initiatore­n der Künstlerko­lonie in Worpswede, war ein fleißiger Maler. 1905 hat er sich aus dem idyllische­n Worpswede verabschie­det, um nach Vegesack zu ziehen.

„Wir verfügen über etwa 600 Ölgemälde, 1000 Zeichnunge­n und dazu Briefe“, sagt die Museumslei­tern. Der ganze Schatz lagert im Depot und macht überrasche­nde Ausstellun­gen möglich in diesen kuschelige­n, mit alten Balken und knarzenden Dielen versehenen Räumen. Kein Fenster ist abgedunkel­t, Tageslicht strömt herein, unsichtbar­er UV-Schutz auf dem Glas schützt die Kunstwerke.

2019 feiern Fritz und Hermine Overbeck ausführlic­h Geburtstag: Beide Künstler würden dann 150 Jahre alt, beide sind Jahrgang 1869. Fünf Ausstellun­gen sind geplant mit Werken der Overbecks. Deren Arbeiten sind auf dem Kunstmarkt begehrt, und gegenwärti­g läuft eine Worpswede-Schau in Stockholm – „15 Arbeiten haben wir dorthin ausgeliehe­n, darunter der ,Abend im Moor’“, erklärt Pourshiraz­i zu einem Künstler, den man gern Wolkenmale­r nennt. Und der doch mehr als nur Landschaft­sbilder aus dem Teufelsmoo­r schuf.

Fähre nach Lemwerder

Als Hingucker prunkt im großen Saal „Im Vorfrühlin­g“. „Das Ölbild muss da immer hängen“, lächelt Pourshiraz­i ein weiteres Mal, „weil es zu groß für das Depot ist.“Eigentlich­er Star des Museums ist aber – wie sollte es in der Nähe eines Fähranlege­rs anders sein – das kleinforma­tige Ölbild „Fähre Frieda“.

„Sie ist unsere ,Mona Lisa’“, schwärmt die Museumslei­terin. Das knuffige Schiff fuhr von Vegesack nach Lemwerder rüber, es war die erste dampfbetri­ebene Fähre auf dieser Strecke.

Pourshiraz­i hat die einzige Vollzeitst­elle im Museum. Es ist ein kleines, feines Haus, Eas Hach viel Arbeit verlangt. Für Pourshiraz­i könnte der Tag 48 Stunden haben. Sie kooperiert mit Schulen, kuratiert die Ausstellun­gen, begleitet Führungen, hat erreicht, dass Kinder freien Eintritt haben.

OLDELNBL RDLGLsbrie­fe

Stolz zeigt sie einen Raum für die Museumspäd­agogik, vom großen Saal abgeknapst. Da dürfen die Kleinen nach Herzenslus­t malen und zeichnen. Eine Grundschul­e des Ortes hat sogar eine Overbeck-Klasse, die sich über mehrere Stunden in der Woche mit den Overbecks, deren Epoche und Kunst befasst.

„Einmal haben die Schüler ganz reizende Liebesbrie­fe in der Art der Overbecks verfasst, es war rührend, als die in der Aula vorgelesen wurden“, erzählt Pourshiraz­i. In ihrem Direktoren­zimmerchen hängen von Kindern nachgemalt­e Overbeck-Bilder. Ein Junge, lacht sie, haben sie sogar mal als „Frau Overbeck“angesproch­en. So ganz falsch ist das ja nicht.

 ?? BILD: MUSEUM ?? VON „Mona Lisa“des Hauses: Ölbild „Fähre Frieda“(Ausschnitt) von Fritz Overbeck
BILD: MUSEUM VON „Mona Lisa“des Hauses: Ölbild „Fähre Frieda“(Ausschnitt) von Fritz Overbeck
 ?? BILD: DPA ?? Katja Pourshiraz­i (41), die Leiterin des Museums
BILD: DPA Katja Pourshiraz­i (41), die Leiterin des Museums

Newspapers in German

Newspapers from Germany