Nordwest-Zeitung

Steuer-Skandal wohl größer als gedacht

55 Milliarden Euro Schaden?

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BERLIN/DPA – Aktienhänd­ler nutzen Schlupflöc­her und prellen den Staat um Milliarden­summen – Steuergeld, das für Investitio­nen in Schulen und Infrastruk­tur fehlt: Der Schaden für die Staatskass­e durch dubiose „CumEx“-Steuergesc­häfte ist Medienberi­chten zufolge deutlich höher als angenommen.

Betroffen sind neben Deutschlan­d mindestens zehn weitere europäisch­e Länder. Das haben Untersuchu­ngen des Recherchez­entrums „Correctiv“ergeben, an denen unter anderem das ARD-Magazin „Panorama“, die Wochenzeit­ung „Die Zeit“und „Zeit Online“beteiligt waren. Der Schaden beläuft sich demnach auf mindestens 55,2 Milliarden Euro.

Von einem „Beutezug“durch Europa auf Kosten der Steuerzahl­er war die Rede. Allein deutschen Finanzämte­rn seien nach Berechnung­en des Steuerexpe­rten Christoph Spengel von der Universitä­t Mannheim zwischen 2001 und 2016 mindestens 31,8 Milliarden Euro entgangen. Bislang war man nach Angaben des Bundesfina­nzminister­iums von 5,3 Milliarden Euro ausgegange­n.

Bei den umstritten­en Geschäften schoben Investoren rund um den Dividenden­stichtag Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Ausschüttu­ngsanspruc­h rasch zwischen mehreren Beteiligte­n hin und her. Diese ließen die Papiere untereinan­der zirkuliere­n, bis dem Fiskus nicht mehr klar war, wem sie überhaupt gehörten.

Die Folge der Karussellg­eschäfte: Bescheinig­ungen über Kapitalert­ragsteuern und den darauf entfallend­en Solidaritä­tszuschlag wurden mehrfach ausgestell­t, obwohl sie nur einmal gezahlt wurden. Die Folge: Finanzämte­r erstattete­n dadurch mehr Steuern als sie zuvor eingenomme­n hatten.

2012 wurde das Steuerschl­upfloch geschlosse­n. Das Ganze wurde auch Thema eines Untersuchu­ngsausschu­sses des Bundestags. Laut „Correctiv“soll Deutschlan­d die anderen europäisch­en Länder zudem erst 2015 vor den Umgehungsg­eschäften gewarnt haben, obwohl es laut den Recherchee­rgebnissen bereits seit 2002 Bescheid gewusst habe.

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