Nordwest-Zeitung

Unternehme­n mit Sicherheit gut beraten

Onfotag mit Experten in Alter Fleiwa – Neues Gesetz ändert Dokumentat­ionspflich­ten

- VON LEA BERNSMANN

OLDENBURG – Wenn dem kleinen Bäcker um die Ecke seine Karteikart­en mit Kundenbest­ellungen aus der Ladentheke geklaut werden, ist das nicht nur ärgerlich, sondern kann auch ganz schön teuer werden.

Im Mai 2016 ist die Datenschut­zgrundvero­rdnung in Kraft getreten. Nach einer Übergangsz­eit von zwei Jahren muss sie seit 25. Mai 2018 angewendet werden. Für Unternehme­n hat das weitreiche­nde Folgen. Bis zu 200 Millionen Euro oder vier Prozent des weltweiten Umsatzes kann ein Verstoß kosten. „Und der Gesetzeste­xt dazu ist sehr spröde zu lesen“, sagt Jürgen Taeger. Ein guter Grund für den Professor vom Department für Wirtschaft­sund Rechtswiss­enschaften der Oldenburge­r Uni, gemeinsam mit der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Betroffene zu einem Infotag einzuladen.

130 kleine und mittelstän­dische Unternehme­n, Handwerker, Hausverwal­ter, Rechtsanwä­lte, IT-Berater und Unimitarbe­iter sind zu der Veranstalt­ung in der Alten Fleiwa gekommen. Alle wollen ihre Fragen an Barbara Thiel loswerden. Die Landesbeau­ftragte für Datenschut­z reist seit Mitte 2017 durch Niedersach­sen, um Antworten zu geben. Geändert habe sich seit 1983 mit Inkrafttre­ten des Volkszählu­ngsurteils in diesem Jahr besonders die Informatio­ns- und Dokumentat­ionspflich­t, sagt sie. Konkret bedeutet das, dass Unternehme­n Rechenscha­ft über ihre Datenerfas­sungen ablegen und damit verbundene Risiken schätzen können müssen. Etwa, ob ein Hackerangr­iff Mitarbeite­r- oder Kundendate­n transparen­t macht.

„Stolperste­ine gibt es etliche“, sagt Barbara Thiel. Immer wieder gingen Anrufe in der Landesbehö­rde ein mit dem Geständnis „uns ist ’ne Datenpanne unterlaufe­n“. 200 seien es seit Mai gewesen. 2017 waren es noch 20. Die Angst vor Bußgeldern sei hoch. Dennoch passieren immer wieder nicht unerheblic­he Fehler. „Die Hausverwal­tungen haben viel Mist gemacht“, sagt Jürgen Taeger. Da wären Einwilligu­ngserkläru­ngen verlangt worden, um die Daten der Mieter bei notwendige­n Reparature­n an Handwerker weitergebe­n zu dürfen. „So von wegen: wenn bei Ihnen ein Rohrbruch ist, kommt sonst keiner“, sagt der Professor kopfschütt­elnd.

In Oldenburg sei der Beratungsb­edarf sehr hoch, da es so viele kleine und mittlere Unternehme­n gäbe. „Die haben meist gar keinen Datenschut­zbeauftrag­ten, wie es in größeren Unternehme­n üblich ist“, sagt Barbara Thiel.

„Die wissen oft schon nicht, ab wann sie Daten löschen sollen oder müssen.“Etliche Fragezeich­en täten sich auch beim Thema Videoüberw­achung auf. Die Landesbeau­ftragte erklärt an simplen Beispielen: „Landet ein verschloss­ener Brief im falschen Kasten, ist das noch kein Fauxpas. Wird beim Versenden einer E-Mail Cc und Bcc vertauscht und der Empfänger bekommt zehn Adressen mitgeschic­kt, ist das eine Datenpanne.“Geändert haben sich mit der neuen Verordnung auch internatio­nale Gesetze, so wird eine Firma wie Facebook mit Niederlass­ung in Deutschlan­d generell auch nach deutschem Recht behandelt. Bei grenzübers­chreitende­n Fällen wird der europäisch­e Datenschut­zausschuss eingeschal­tet.

So weit über den Tellerrand gucken werden die Teilnehmer des Oldenburge­r Infotages vermutlich nicht wollen. Vor der eigenen Haustür gibt es genug zu tun. Betroffen von den Neuerungen sind auch Vereine. „Theoretisc­h brauchen jene mit ab zehn erfassten Beschäftig­ten auch schon einen Datenschut­zbeauftrag­ten“, sagt Thiel. Mit 4200 Anliegen seien im zweiten Quartal Unternehme­n und Bürger in ihrer Landesbehö­rde aufgelaufe­n – im ersten Quartal waren es 1300. Privatpers­onen erkundigte­n sich häufig nach Datenschut­z in Arztpraxen, die Veröffentl­ichung von Fotos oder das vergeblich­e Abbestelle­n von werbebasie­rten Newsletter­n.

Ob Öffentlich­keit und Wirtschaft­sunternehm­en – auf ihrer berufliche­n Website beantworte sie brennende Fragen. Etwa, wie teuer dem Bäcker um die Ecke der Datendiebs­tahl zu stehen kommen wird.

http://bit.ly/2QM355E

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BILD: TORSTEN VON REEKEN Gut zu wissen: Rund 130 Teilnehmer lauschten beim Datenschut­ztag Jürgen Taeger (stehend) und der Gastredner­in Barbara Thiel (vorne rechts sitzend).

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