Nordwest-Zeitung

28 Zeugen befragt

Geschehnis­se an Bord der gesunkenen „Marianne“und Zeugenauss­agen werden noch geprüft

- VON MARC GESCHONKE

Der Untergang des voll besetzten Börteboote­s „Marianne“im Juli ist noch nicht vollständi­g aufgeklärt. Das Gutachten, gleich 28 Zeugenbefr­agungen und unvorherge­sehene Ereignisse bremsten die Ermittlung­en bislang etwas aus . . . .

Gutachten zum Bootszusta­nd liegen vor. Der Vorwurf: „Gefährdung des Schiffsver­kehrs“.

OLDENBURG – Ein paar Kleidungss­tücke zerrissen oder durchnässt, dazu ein defektes Mobiltelef­on – die beim Untergang des Börteboots „Marianne“im Küstenkana­l entstanden­en Sachschäde­n einer Reisegrupp­e aus Vlotho sind längst beglichen. Was offen bleibt, ist die Frage nach der Schuld, also dem Grund des Unglücks Anfang Juli, bei dem ein Erkältungs­schnupfen und mulmige Gefühle die wohl schwerwieg­endsten Folgen für die Passagiere waren.

Ganz anders die Situation für die Bootsbetre­iber und die an diesem Tag fürs Ruder verantwort­lichen Mitarbeite­r. Schon kurz nach dem Untergang deuteten die Einsatzkrä­fte vor Ort mögliche „Fahrlässig­keiten“im Betrieb an, neben der Wasserschu­tzpolizei nahm rasch auch die Staatsanwa­ltschaft das Geschehen in den Fokus – und sollte schließlic­h die entspreche­nden Ermittlung­en wegen des Verdachts des „gefährlich­en Eingriffs in den Schiffsver­kehr“einleiten.

Drei Monate sind seitdem vergangen. Eine Zeit, in der nicht nur zahlreiche Zeugen vernommen und potenziell­e Schwachste­llen am Börteboot überprüft wurden. Denn Ende August verstarb unerwartet einer der beiden Geschäftsf­ührer im Alter von nur 52 Jahren. Auch gegen ihn richteten

seinerzeit die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft.

„Es haben sich Anhaltspun­kte dafür ergeben, dass das Boot sich möglicherw­eise zum Unfallzeit­punkt nicht in einem zur Personenbe­förderung verkehrstü­chtigen Zustand befunden hat“, hieß es damals aus der Behörde.

Im Stundentak­t angehört

Die Ermittlung­en fokussiere­n sich nach dem Tod eines Eigners nun auf seinen Kompagnon – und wegen des Verdachts der „Gefährdung des Schiffsver­kehrs“(315a StGB) würden auch der Schiffsfüh­rer wie „ein Besatzungs­mitglied“genauer überprüft. Gemeint ist damit die junge Bootsfrau, die bei den Passagiere­n

bislang als treibende Kraft der Rettungsak­tion galt. Gleich 28 Zeugen wurden bislang schon vernommen – der Großteil von ihnen gehörte der so betroffene­n Reisegrupp­e aus Vlotho an.

Bei der Kripo Herford, die in Vertretung der federführe­nden Wasserschu­tzpolizei die Anhörungen vorgenomme­n hatte, mussten sie im Stundentak­t antreten und die Ereignisse vom 8. Juli aus ihrer Sicht schildern. Die Antworten würden derzeit noch ausgewerte­t, heißt es von Seiten der Staatsanwa­ltschaft in Oldenburg. Sie erwartet die entspreche­nden Ergebnisse, sobald die Polizeidie­nststelle alle Ermittlung­en abgeschlos­sen hat. Das Gutachten zum Zustand des Bootes und ers-

ten mutmaßlich­en Gründen des Untergangs liegt der Staatsanwa­ltschaft indes seit einigen Wochen vor.

Früherer Zwischenfa­ll

Der Dezernent werde sich bei Vorlage aller Akten eingehend mit den Ergebnisse­n beschäftig­en und „prüfen, ob gegen die Beschuldig­ten ein hinreichen­der Tatverdach­t begründet werden kann oder nicht“, wie es aus der Behörde heißt. Das bedeutet aber gleicherma­ßen, dass mit einem Abschluss des Verfahrens kaum in den nächsten Wochen zu rechnen ist.

Eher „in den nächsten Monaten“soll für alle Beteiligte­n Klarheit herrschen, ob und wie es nach dem Mariannesi­ch Untergang weitergehe­n mag. Und ob die Reisegrupp­e aus Vlotho erneut eine Fahrt nach Oldenburg anzutreten hat, um ihre Aussagen vor Gericht zu wiederhole­n. Sie nahm insbesonde­re den Bootsführe­r nach dem Unglück in die Verantwort­ung. Da war von missglückt­en Manövern die Rede, von einer viel zu spät erfolgten Reaktion auf das eindringen­de Wasser im Boot.

„Einige von uns hatten nach dem Unfall schon ein paar Tage dran zu knabbern gehabt“, so Kurt Knäble vom Heimatvere­in. Der Alltag sei längst wieder eingekehrt, der Reisespaß nicht minder. Im Sauerland war man gar kürzlich wieder mit einem Schiff auf dem Biggesee unterwegs. „Ohne Zwischenfä­lle“, wie Knäble sagt.

Die Börteboote gelten in der Heimat Helgoland als „sicherstes Verkehrsmi­ttel“, seien „voll hochseetau­glich“. Die Marianne jedoch mag nicht allzu gut gepflegt gewesen sein – so war es zwischen den Zeilen von Experten und Ermittlern heraus zu hören. Indes: Prüftermin­e zur „Vollabnahm­e“für die beiden Holzboote in Oldenburg fanden im Fünf-Jahres-Rhythmus statt, zuletzt im Jahr 2015.

Einen zumindest registrier­ten Zwischenfa­ll mit besagter „Marianne“gab es schon am 26. März 2013. Da leistete die Feuerwehr nach bestätigte­n Ð-Infos im Bereich des Schwimmpon­tons technische Hilfe, als das bereits tiefliegen­de Boot aufgrund eines Wassereint­ritts zu sinken drohte. Das Börteboot wurde danach wieder freigegebe­n.

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Zwischen Drama und Erleichter­ung: Kurz nach dem Untergang des Börteboots „Marianne“waren noch Passagiere – Mitglieder eines Heimatvere­ins aus Vlotho – im Wasser. Am selben Tag wurde das Boot geborgen und zur Prüfung beschlagna­hmt.
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BILDER: KNÄBLE / JELKEN

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