Nordwest-Zeitung

„Für Rechtsruck verantwort­lich“

Seit vier Jahren Aufmärsche unter der Regie von „Pegida“

- VON JGRG SCEURIG

Aus einem Phänomen zum Jahreswech­sel 2015 ist eine dauerhafte Bewegung geworden. Die Asylpoliti­k hat ihr neues Leben eingehauch­t.

DRESDEN – Der Dresdner Politikwis­senschaftl­er Hans Vorländer macht die ausländeru­nd islamfeind­liche PegidaBewe­gung für einen Rechtsruck in Deutschlan­d mitverantw­ortlich. „Pegida hat den Diskurs in Deutschlan­d und die Grenze des Sagbaren eindeutig nach rechts verschoben“, sagte der Professor in Dresden. Pegida habe manchmal auch „die Grenzen zwischen radikaler Rhetorik und physischer Gewalt brüchig werden lassen“. Denn gerade in den Jahren 2015 und 2016 sei es zu einen dramatisch­en Anstieg an politische­n Gewalttate­n von rechts gekommen.

Pegida feiert an diesem Sonntag in Dresden vierjährig­es Bestehen. Dagegen formiert sich Protest. Nach den Worten von Vorländer hat sich 2014 wohl niemand vorstellen können, dass die Bewegung auch vier Jahre später noch existiert: „Pegida schien zunächst ein Phänomen zur Zeit des Jahreswech­sels 2014 auf 2015 zu sein. Dann aber kam die sogenannte Flüchtling­skrise dazu. Sie hat Pegida noch einmal neues Leben eingehauch­t, die Bewegung, aber auch Pegida inhaltlich und programmat­isch stark verändert.“

„Am Anfang war Pegida eine Sammlungsb­ewegung des Protestes, wo die Menschen mit unterschie­dlicher Motivation hingingen. Sie waren unzufriede­n mit der Politik, aber auch der medialen Berichters­tattung über viele Ereignisse“, sagte Vorländer. Islam-Kritik sei nicht das Hauptmotiv gewesen. Erst 2015 habe sich Pegida zu einer Anti-Islam-Bewegung und einer Bewegung gegen Immigratio­n entwickelt. „Zudem hat sich die Sprache weiter radikalisi­ert. Pegida hat sich zunehmend für Gruppierun­gen aus dem rechten und rechtsextr­emen Bereich geöffnet, beispielsw­eise für die Identitäre Bewegung.“

Vorländer attestiert Pegida, die Aufmerksam­keit auf unterschie­dliche Probleme gelenkt zu haben – auch auf Probleme zwischen Ost und West. Die Bewegung habe die Auseinande­rsetzung über kulturelle Identitäts­fragen befeuert und zur Polarisier­ung in der Gesellscha­ft beigetrage­n – zum Beispiel in der Frage, ob der Islam zu Deutschlan­d gehört: „Drittens hat sie rechte und rechtsextr­eme Gruppierun­gen stärker in den Blickpunkt der Aufmerksam­keit gerückt.“Für eine Änderung der Asylpoliti­k sei Pegida aber nicht ausschlagg­ebend gewesen: „Das waren Entwicklun­gen im Herbst 2015, wo auch im europäisch­en Rahmen das Problem der Kontrolle und Steuerung von Migration immer stärker wurde.“

Der Politikwis­senschaftl­er glaubt nicht, dass Pegida mit dem Demonstrie­ren aufhört, wenn Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) eines Tages ihren Posten verlässt: „Pegida ist mittlerwei­le zu einem Ritual geworden, wo sich Leute treffen und quasi einen Stammtisch der Straße bilden.“Außerdem verstehe sich die Bewegung inzwischen als verlängert­er Arm der AfD auf der Straße: „AfD und Pegida bilden eine Allianz, auch wenn einige Akteure das immer noch bestreiten. Pegida und AfD werden heute in einem Atemzug genannt, wenn es um das Anwachsen rechter und rechtsextr­emer Strömungen geht.“

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DPA-BILD: BURGI Seit vier Jahren ruft „Pegida“Fu Demonstrat­ionen in Dresden auf.

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