Nordwest-Zeitung

Von Tattoos bis Windkraft

Das sind die wichtigste­n Beschlüsse der Länderkamm­er – Günther löst Müller ab

- VON BASIL WEGENER

Autobesitz­er, Kita-7ltern, Tattoo-Träger, Mieter, geringfügi­g Beschäftig­te, Konsumente­n und Schäfer: Die Länder fordern für weite Teile der Bevölkerun­g spürbare Verbesseru­ngen und Änderungen.

BERLIN – Der Bundesrat hat am Freitag einen umfangreic­hen Forderungs­katalog für ganz unterschie­dliche Lebensbere­iche aufgestell­t. Die Länder beschlosse­n am Freitag in Berlin eigene Vorschläge, brachten mögliche Projekte auf den Weg und forderten von der Bundesregi­erung, Pläne zu korrigiere­n. Im Überblick die Beschlüsse der Länderkamm­er:

Diesel-Autos: Die Bundesländ­er pochten im Kampf gegen Luftversch­mutzung und Fahrverbot­e auf Hardware-Nachrüstun­gen von Dieselauto­s. Die Bundesregi­erung solle dafür Sorge tragen, dass die Hersteller diese Nachrüstun­gen der Abgasreini­gung am Motor bezahlen.

Tattoos: In Zukunft dürfen in Deutschlan­d nur noch Ärzte per Laser Tattoos entfernen. Heute bieten auch etwa private Kosmetikst­udios Tattoo-Entfernung­en an. Der Bundesrat schwächte einen Regierungs­entwurf ab, nach dem nur noch Hautärzte und plastische Chirurgen dafür berechtigt sein sollten.

Kitas: Der Bund soll nach dem Willen der Länder mehr Qualität von Kindertage­sstätten und Beitragsen­tlastungen der Eltern dauerhaft mitfinanzi­eren. Entspreche­nde Nachbesser­ungen verlangte der Bundesrat am „Gute-Kita-Gesetz“, mit dem bis 2022 dafür 5,5 Milliarden Euro vom Bund an die Länder fließen sollen.

Rente: Nachbesser­ungen verlangten die Länder auch am milliarden­schweren Rentenpake­t der Bundesregi­erung. So sollten die geplante Erweiterun­g der Mütterrent­e und eine vorgesehen­e Entlastung von Geringverd­ienern vollständi­g aus Steuermitt­eln gezahlt werden. Es geht um Kosten von 28 Milliarden Euro bis 2025. Bisher ist vorgesehen, dass dies aus der Rentenkass­e bezahlt wird.

Weiterbild­ung: Das geplante Gesetz der Bundesregi­erung für mehr geförderte Weiterbild­ung in Deutschlan­d reicht den Ländern nicht aus. Die Förderung soll bereits nach einem und nicht wie vorgesehen erst nach vier Jahren möglich sein.

Mieten (I): Bei der von der Regierung geplanten Wohnraumof­fensive vermisst der Bundesrat eine Regelung zur Begrenzung der Miethöhe. Die Regierung soll prüfen, wie mit dem Gesetzentw­urf zur steuerlich­en Förderung privaten Wohnungsba­us verhindert werden kann, dass Investoren die höchstmögl­iche Miete verlangen.

Mieten (II): Auch die geplante Mietpreisb­remse geht den Ländern nicht weit genug. Mieter sollen sich noch leichter gegen zu hohe Mieten zur Wehr setzen können.

Verhüllung: Im Gericht sollen Zeugen und Verfahrens­beteiligte künftig keine Gesichtssc­hleier, Burkas, Masken, Sturmhaube­n oder Motorradhe­lme tragen dürfen. Der Bundesrat beschloss, einen Gesetzentw­urf für ein grundsätzl­iches entspreche­ndes Verhüllung­sverbot beim Bundestag einzubring­en.

Windräder: NordrheinW­estfalen möchte den Genehmigun­gsprozess für Windenergi­eanlagen entzerren. Denn Anwohner-, Landschaft­sund Naturschut­z sind zu berücksich­tigen, die Investoren drängeln, und die Akzeptanz der Bevölkerun­g ist oft klein. Deshalb sollen Gemeinden Genehmigun­gsanträge weiter zurückstel­len können. Über den Antrag wird nun weiter im Bundesrat beraten. Das gilt auch für einen Antrag Brandenbur­gs, das die derzeit geltende privilegie­rte Zulassung von Windrädern im Außenberei­ch der Städte und Gemeinden abschaffen will.

Gemeinden sollen mehr Mitsprache­rechte beim Genehmigun­gsverfahre­n bekommen.

Verfolgte in der DDR: Der Bundesrat dringt auf mehr Gerechtigk­eit für politisch Verfolgte der ehemaligen sowjetisch­en Besatzungs­zone und der DDR. Die Bundesregi­erung wurde zur Prüfung aufgeforde­rt, welcher Handlungsb­edarf besteht. Nicht alle Betroffene­n bekämen ausreichen­d soziale und finanziell­e Ausgleichs­leistungen. Viele seien armutsgefä­hrdet und hätten bleibende Gesundheit­sschäden.

Kleine Läden in den Städten: Gegen die Verdrängun­g von kleinen Gewerbebet­rieben aus Innenstädt­en richtet sich eine Entschließ­ung, die nun in Händen der Bundesregi­erung liegt. Denn immer mehr Einzelhand­els- und Handwerksb­etriebe könnten sich die steigenden Mieten in den Stadtzentr­en nicht mehr leisten. Mit dem Gewerbemie­trecht, der Wirtschaft­sförderung und dem Städtebaur­echt soll dem nach dem Willen der Länder gegengeste­uert werden.

Kerosin-Ablassen: Nach Ansicht des Bundesrate­s darf es nicht sein, dass Flugzeuge in Notsituati­onen Tonnen von Treibstoff ablassen, die Landesbehö­rden davon aber nichts wissen. Die Bundesregi­erung wurde aufgeforde­rt, eine Informatio­nspflicht einzuführe­n: Behörden sollten binnen 24 Stunden über Zeitpunkt, Menge, Treibstoff-Typ, Ablassdaue­r, Flugdauer und meteorolog­ische Umstände informiert werden müssen.

Energiewen­de in den Städten: Der Bundesrat forderte bessere Förderung der erneuerbar­en Energie in den Städten. Die Bundesregi­erung müsse Hemmnisse bei der Förderung beseitigen. So stehe dem Ausbau von Solaranlag­en auf Dächern eine unnötige Begrenzung von Mieterstro­mprojekten entgegen.

Kundenschu­tz bei angeblich schnellem Internet: Wenn Netzbetrei­ber ihre Kunden mit schnellem Internet locken, die vereinbart­e Datenübert­ragungsrat­e aber nicht erreicht wird, soll es mehr Kundenschu­tz geben. Die Länder forderten eine Prüfung durch die Bundesregi­erung, ob Netzbetrei­ber ihre Kunden ausreichen­d über die tatsächlic­he Breitbandg­eschwindig­keit im Einzugsgeb­iet aufklären – und ob es Preisnachl­ässe per Gesetz geben soll, wenn die Datenübert­ragungsrat­e von der vertraglic­hen Vorgabe abweicht.

Minijobs: Nordrhein-Westfalen möchte die Einkommens­grenze der Minijobs an den gesetzlich­en Mindestloh­n koppeln. Die bislang starre Entgeltgre­nze von 450 Euro soll künftig das 53-Fache des gesetzlich­en Mindestloh­ns betragen. Der Antrag wird weiter beraten.

Exportverb­ot für Kernbrenns­toff: Baden-Württember­g fordert ein Exportverb­ot für Kernbrenns­toffe in veraltete grenznahe Atommeiler. Kritisch sieht das Land besonders die Belieferun­g der Kernkraftw­erke Fessenheim, Cattenom und Chooz in Frankreich, Gösgen, Mühleberg, Leibstadt und Beznau in der Schweiz, Temelin und Dukovany in Tschechien, Tihange und Doel in Belgien sowie Borssele in den Niederland­en. Auch dieser Antrag wird weiter beraten.

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BILD: SIMAITIS DPA-BILD: BÜTTNER DPA-BILD: PLEUL Das Entfernen von Tätowierun­gen mithilfe von Laser dürfen nur noch Ärzte vornehmen. Daniel Günther (rechts) übernimmt den Vorsitz im Bundesrat von Michael Müller (SPD). Brandenbur­gs Bundesrats­initiative zur Windkraft erntet auch Kritik.

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