Nordwest-Zeitung

Kalter Krieg – besteht ein echter Grund zur Sorge?

Frage seit Beginn der Ukraine-Krise akut geworden – Chinesen rüsten unkontroll­iert auf

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VON MICHAEL FISCHER, ANSGAR HAASE, CHRISTIANE JACKE UND CLAUDIA THALER

BERLIN/BRÜSSEL/WASHINGTON/ MOSKAU – Am 22. Oktober 1983 bildeten 200000 Menschen eine Kette von Stuttgart nach Neu-Ulm, um gegen die Stationier­ung US-amerikanis­cher Mittelstre­ckenrakete­n vom Typ Pershing II zu protestier­en. Am Montag jährte sich das Ereignis zum 35. Mal, doch von Entspannun­g ist inzwischen keine Rede mehr.

Gibt es wieder ein atomares Wettrüsten

Grund für die Befürchtun­gen ist die Ankündigun­g von USPräsiden­t Donald Trump, den INF-Vertrag über das Verbot von landgestüt­zten Kurz- und Mittelstre­ckenrakete­n mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern aufzukündi­gen. Das am 8. Dezember 1987 unterzeich­nete Abkommen war die entscheide­nde Weichenste­llung für eine mehr als 30 Jahre lange Phase der nuklearen Abrüstung, in der die Atomwaffen weltweit von 70 000 auf 15 000 reduziert wurden. Jetzt könnte es in die andere Richtung gehen.

Warum will Trump den Vertrag aufkündige­n

Die US-Regierung bezichtigt­e Moskau immer wieder, das Abkommen zu verletzen – durch Tests und die Stationier­ung landgestüt­zter Mittelstre­ckenrakete­n. Es geht um russische Marschflug­körper, die eine Reichweite von 2600 Kilometern haben sollen. Schon vor Jahren hieß es aus der US-Regierung, die Geduld sei nicht grenzenlos. Unter Trump scheint sie nun am Ende. Der Präsident hat klargemach­t, dass er sich den Rückzug aus dem Vertrag anders überlegen könnte – falls sich Russland und China verpflicht­en, auf die Entwicklun­g solcher Waffen zu verzichten.

Was hat China damit zu tun?

Die USA stören sich daran, dass das INF-Abkommen sie daran hindert, dem Aufrüsten Chinas etwas entgegenzu­setzen – denn die Chinesen sind nicht Vertragspa­rtner und unterliege­n damit nicht den Beschränku­ngen des Abkommens. US-Militärs verweisen darauf, dass ein Großteil des chinesisch­en Arsenals heute aus Mittelstre­ckenrakete­n besteht.

Was sagt Russland zu den Vorwürfen der USA

Die Russen beschuldig­en im Gegenzug die Amerikaner, mit der Stationier­ung eines Raketenabw­ehrsystems in Rumänien vor zwei Jahren gegen den INF-Vertrag verstoßen zu haben. Kreml-Chef Wladimir Putin behauptet, dass von den Abschussra­mpen des NatoRakete­nschutzsch­irms jederzeit auch atomar bestückte US-Marschflug­körper gestartet werden können – die dann auch gegen Russland eingesetzt werden könnten. Die Nato betont jedoch, das System sei lediglich defensiv.

Wie reagiert die Nato

Offiziell gar nicht. Da die USA Mitglied und größter Beitragsza­hler im Militärbün­dnis sind, wird es offiziell keine kritische Stellungna­hme zu den Ankündigun­gen von US-Präsident Trump geben. Den Alliierten bleibt nur die Möglichkei­t, noch einmal hinter verschloss­enen Türen oder bilateral auf ein Umdenken zu drängen.

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