Dramatischer Hilferuf an Bund und Land
Wilhelmshavener Wirtschaft fordert mehr Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst
Die Wirtschaftsvertreter wollen mehr Dezentralisierung. Damit wollen sie viel erreichen.
WILHELMSHAVEN – Mit einem dramatischen Appell wenden sich Vertreter der Wirtschaft in Wilhelmshaven an die verantwortlichen Politiker im Bund und im Land Niedersachsen. Ihre eindringliche Bitte: Stoppt endlich die zunehmende Verlagerung von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst in die großen Metropolen und beschließt eine Kehrtwende zu einer Dezentralisierung. Die Folge wäre nicht nur eine Stärkung der strukturschwachen Regionen – gleichzeitig würden auch die Ballungszentren vor dem drohenden Kollaps bewahrt.
Mit einer „Wilhelmshavener Erklärung“wollen sich vier Wirtschaftsverbände an die Mffentlichkeit wenden und sich dabei gleichzeitig zu
Fürsprechern anderer wirtschaftlicher Regionen in Niedersachsen machen. Bei der Forderung nach einer Nmverteilung der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst gehe es nicht nur um die berechtigten Interessen der Region an der Jade, sondern um ein grundsätzliches Nmdenken, das dann auch anderen Problemgebieten wie Delmenhorst oder Salzgitter zugute kommen könne.
Bereits vor eineinhalb Jahren hatten sich der Allgemeine Wirtschaftsverband (AWV),
die Kreishandwerkerschaft, der Hotel- und Gaststättenverband sowie der Wilhelmshavener City-Interessenverein an die Fraktionen des Bundestags und des Landtags und an einige Persönlichkeiten gewandt und die Bitte formuliert, strukturschwache Regionen wie Wilhelmshaven bei der Neuerrichtung beziehungsweise Verlagerung von Behörden, Sozialversicherungsträgern und ähnlichen Einrichtungen verstärkt zu berücksichtigen. Nnterstützt wurden die Verbände dabei durch den langjährigen Leiter des Arbeitsamtes, Dr. Rolf Lienau, und den Wilhelmshavener Dr. Jochen Gottschalk, mehrere Jahre als Staatssekretär in Sachsen Anhalt für Raumordnung und Strukturfragen verantwortlich.
Hintergrund des Hilferufs an Bund und Land war ein langjähriger Abbau von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst in Wilhelmshaven. Der Abzug von Behörden sowie die Verlagerung von Behördenleitungen in andere Orte habe die Stadt schwer getroffen. Insgesamt seien in Wilhelmshaven 5000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst im Laufe der Zeit verloren gegangen. Dabei sei die Stadt lange Zeit als reine militärische Zweckgründung an eigenverantwortlicher Entwicklung gehindert gewesen und habe als großer Bundeswehrstandort Sonderlasten zu tragen gehabt – bei gleichzeitiger „Vorhaltepflicht für Dienstleistungen wie Krankenhäuser und Schulen für die Bediensteten“.
Die Initiatoren des Projektes beziehen sich auch auf das Grundgesetz, das die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Deutschland zum Ziel hat. Da im Zeitalter der Telekommunikation die Frage des physischen Standorts für Behörden immer unwichtiger werde, sei auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung eine ausgleichende Strukturförderung als Ziel formuliert. Auch Länder wie Bayern, Sachsen, Hessen und Sachsen-Anhalt beschäftigten sich damit.
Da die bisherige Reaktion aus der Politik „sehr sparsam und zurückhaltend“ausgefallen sei, unterstrichen Sprecher der Wirtschaftsverbände am Montag nochmals ihr Anliegen, das keinesfalls zu einer Sonderregelung für Wilhelmshaven, sondern zu mehr Gerechtigkeit im flachen Land führen solle. Nnterstützt wurden sie dabei vom Wilhelmshavener SPD-Landtagsabgeordneten Holger Ansmann.