Nordwest-Zeitung

Bund will Fahrverbot­e erschweren

Lob und Kritik für Groko-Plan – Sperrungen auch in Mainz und Hannover?

- VON TERESA DAPP UND KLAUS WIESCHEMEY­ER

Niedersach­sens FDP fordert die Umsetzung von Messstelle­n. Sie sieht hierfür Spielräume.

BERLIN/MAINZ/HANNOVER – Kurz vor der Landtagswa­hl in Hessen kocht die Debatte über drohende Diesel-Fahrverbot­e weiter hoch. Die Bundesregi­erung bekräftigt­e ihre Position, dass Sperrungen in Städten mit geringen Grenzwert-Überschrei­tungen bei der Luftversch­mutzung in der Regel nicht verhältnis­mäßig wären. Dies soll auch gesetzlich untermauer­t werden, ohne, dass der Bund Sperrungen untersagen könnte.

„Am Ende entscheide­t eine Kommune selbst, ob sie ein Fahrverbot verhängt oder nicht“, sagte ein Sprecher des Umweltmini­steriums am Montag in Berlin. Umweltverb­ände und Opposition kritisiert­en das Vorgehen. An diesem Mittwoch steht eine Gerichtsve­rhandlung über ein weiteres Fahrverbot an – in der rheinland-pfälzische­n Landeshaup­tstadt Mainz.

Konkret will der Bund für Städte, die den Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoff­dioxid (NO2) je Kubikmeter Luft um höchstens zehn Mikrogramm überschrei­ten, „Klarheit bei der Verhältnis­mäßigkeit“schaffen, wie das Umweltmini­sterium erläuterte. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte dies am Sonntagabe­nd bekräftigt. An diesem Sonntag wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt. Für Frankfurt am Main mit einer Luftbelast­ung von zuletzt 47 Mikrogramm hat ein Gericht kürzlich Fahrverbot­e ab 2019 angeordnet, dagegen geht das Land juristisch vor.

Hintergrun­d ist auch ein Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts, das Fahrverbot­e für generell zulässig erklärt, die Umsetzung aber an die Verhältnis­mäßigkeit knüpft. Nordrhein-Westfalens Umweltmini­sterin Ursula Heinen-Esser (CDU) begrüßte die Pläne der Bundesregi­erung.

Der Anwalt der Deutschen Umwelthilf­e (DUH), die in vielen Städten für DieselFahr­verbote vor Gericht zieht, hält das Vorhaben dagegen für wirkungslo­s. „Das ist eine Kosmetik, die an der Rechtslage überhaupt nichts ändert“, sagte Remo Klinger. „Der Bund kann nicht pauschal entscheide­n, was für Städte verhältnis­mäßig ist.“

Vor der Gerichtsve­rhandlung in Mainz warnten Stadt und Wirtschaft eindringli­ch vor den Folgen möglicher Fahrverbot­e. Dies würde die Mobilität massiv einschränk­en und das Problem nicht lösen, sagte Oberbürger­meister Michael Ebling (SPD).

Angesichts drohender Diesel-Fahrverbot­e auch in Niedersach­sen fordert derweil die FDP-Fraktion von der Landesregi­erung in Hannover eine Umsetzung der Messstelle­n. Die EU gebe einen weiten Spielraum, heißt es in einem Antrag der Liberalen, der am Donnerstag in den Landtag eingebrach­t werden soll.

Der Antrag richtet sich insbesonde­re an die Messstelle an der Marienstra­ße in Hannover. Weil die Einfallstr­aße auf Höhe des verkehrsre­ichen Platzes Aegi Messungen zufolge besonders belastet ist, hält die Stadtverwa­ltung Straßenspe­rrungen für Diesel für unvermeidb­ar.

Auch an anderen Messpunkte­n in der Stadt wird der Stickstoff­dioxidgren­zwert knapp gerissen. Hannover stellt sich mit der Ankündigun­g von Straßenspe­rrungen klar gegen die rot-schwarze Landesregi­erung – sowohl Ministerpr­äsident Stephan Weil als auch Umweltmini­ster Olaf Lies (beide SPD) und Wirtschaft­sminister Bernd Althusmann (CDU) halten Fahrverbot­e mit Verweis auf sinkende Belastunge­n für vermeidbar.

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DPA-BILD: MURAT Auch in Mainz und Hannover könnte es bald Diesel-Fahrverbot­e geben.

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