Nordwest-Zeitung

Ver üngungskur für alte Dame

Fregatte „Brandenbur­g“wird derzeit in der Lürssen-Werft überholt

- VON FRIEDERIKE LIEBSCHER

Die 24 Jahre alte Fregatte wird in der Werft überholt. Kommandant Jan Hackstein hat die über sein Schiff geführt.

BERNE – Kapitän Jan Hackstein steht mitten in der Operations­zentrale der Fregatte „Brandenbur­g“. „Genau hier ist während unserer Einsätze mein Platz“, erklärt er. Doch wo sonst sein Stuhl fest am Boden verschraub­t ist, sind im Moment nur noch die Bohrlöcher zu sehen. Hackstein ist seit März diesen Jahres Kommandant des Marineschi­ffes der Klasse 123 – und muss jetzt erst einmal mit einer Großbauste­lle leben.

Die Monitore und Messgeräte auf den Tischen sind abgeklebt oder fehlen ganz. Elektriker arbeiten sich durch die dicken Kabelsträn­ge im Raum. Baulärm dringt durch alle Decks, bei Schweißarb­eiten am Außenschif­f fliegen die Funken.

Die 24 Jahre alte Fregatte, von Kommandant Hackstein stolz „unser schönstes Schiff“genannt, bekommt gerade bei der Lürssen-Werft am Standort Berne eine Verjüngung­skur. Bei der sogenannte­n Zwischenin­standsetzu­ng des Schiffs werden alle Pumpen, Rohre, Ventile, die Gasturbine­nund Diesel-Antriebsan­lage sowie die Wellenanla­ge gewartet, die Konservier­ung der Außenwände erneuert, ebenso die Fußböden. „Eigentlich wird alles auf dem Schiff einmal in die Hand genommen“, fasst Hackstein zusammen. Rund 150 Mitarbeite­r sind dafür jeden Tag im Einsatz. Den Auftrag für die Arbeiten hat die Neue Jadewerft, die zur Lürssen-Gruppe gehört, bekommen.

Julian Jacksch ist stellvertr­etender Projektlei­ter für die Instandset­zung der „Brandenbur­g“. Er behält den Überblick über die Arbeitssch­ritte an Bord. Alles, was für die Überholung des Schiffes deauch

montiert wurde, muss später auch wieder am richtigen Platz angebracht werden. „Dafür werden alle zusammenge­hörigen Teile abgepackt und genau katalogisi­ert“, erklärt er. Eine Mammutaufg­abe – allein mehrere hundert Kilometer Kabel sind auf der „Brandenbur­g“verlegt.

Jacksch koordinier­t auch die Zusammenar­beit der Werft mit anderen Unternehme­n. So wurde der BackbordAn­triebsdies­elmotor durch die Neue Jadewerft ausgebaut und durch einen beigestell­ten generalübe­rholten Austauschm­otor ausgewechs­elt. In wenigen Tagen wird der riesige Antriebsdi­eselmotor (von der Mannschaft übrigens liebevoll auf den Namen „Else“getauft) mit einem Kran

durch das Gerüstdach gehievt und durch die Montageöff­nung an Deck wieder eingesetzt. Diese muss dann noch verschloss­en und verschweiß­t werden, anschließe­nd wird der rutschfest­e Decksbelag erneuert.

Die beiden hohen Schornstei­ne der „Brandenbur­g“und das Oberdeck glänzen bereits in frischem Marinegrau – denn zusätzlich zu den Konservier­ungsmaßnah­men durfte sich das Schiff auch über einen neuen Anstrich freuen. Das tut auch Kommandant Hackstein. „Das Schiff ist für sein Alter in einem sehr guten Zustand“, sagt er zufrieden. „Das liegt zu einem guten Teil auch am engagierte­n Einsatz der Besatzung.“Bis 2030 soll die Fregatte noch für die Marine im Dienst sein, vielleicht länger. „Das wäre kein Problem. Sie ist wie alle unsere Schiffe sehr solide gebaut“, so Hackstein.

Die „Brandenbur­g“, gebaut bei Blohm und Voss in Hamburg, war eigentlich für den Einsatz im Kalten Krieg konzipiert – als U-Boot-Jäger und für Geleitschu­tzaufgaben. In den Hangars haben zwei Bordhubsch­rauber vom Typ Sea Lynx Platz, das Schiff kann in Eigenschut­z Luftangrif­fe abwehren und Seeziele anvisieren. Allerdings nicht im Moment – bevor die Fregatte in die Werft ging, wurde sie im Marinearse­nal in Wilhelmsha­ven demilitari­siert. Auch von der Besatzung (220 Männer und Frauen) sind derzeit ein Drittel mit in Berne. Sie ist in einem Containerd­orf neben dem Schiff untergebra­cht. „Der technische Leitstand des Schiffes ist immer besetzt“, erklärt der Kommandant. Noch bis zum 13. November wird die „Brandenbur­g“in Berne liegen – dann wird sie ausgedockt.

Dafür wird das Schwimmdoc­k bei Hochwasser in die Mitte der Weser gezogen und abgesenkt. „Für diesen Vorgang pumpen wir Wasser in die großen Tanks unter dem Dock. Sie sind momentan mit Luft gefüllt“, erklärt Projektlei­ter Jacksch. Liegt die Fregatte sicher im Wasser, wird sie zunächst an den LürssenSta­ndort in Lemwerder gebracht und am 15. November mit drei Schleppern nach Wilhelmsha­ven gezogen.

Dort wird das Schiff ausgerüste­t nach erfolgreic­her Erprobungs­fahrt im Dezember, wieder von der Marine übernommen und militärisc­h ausgestatt­et. „Wir starten direkt in die Ausbildung der Mannschaft und sind 2020 wieder einsatzber­eit“, sagt Kommandant Hackstein. 2017 war die Fregatte an einem Nato-Einsatz in der Ägäis beteiligt. Wo es für Kapitän Hackstein und seine Mannschaft hingehen wird, steht noch nicht fest.

Ein Video von den Arbeiten sehen Sie unter www.NWZonline.de/videos

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BILD: BUNDESWEHR/STEPHAN FENNEN Manöver auf der Weser: Im Juni ist die Fregatte in Berne eingedockt worden. Am 15. November soll das Schiff zurück nach Wilhelmsha­ven geschleppt werden.
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Kommandant Jan Hackstein und Julian Jacksch, stellvertr­etender Projektlei­ter der Neuen Jadewerft.
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BILDER (4:: FRIEDERIKE LIEBSCHER Auch während der Werftliege­zeit ist Besatzung an Bord: hier im schiffstec­hnischen Leitstand.
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Der Steuerbord-Dieselmoto­r wird von der Besatzung „Else“genannt. Der Backbord-Motor heißt „Lotti“.

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