Nordwest-Zeitung

Wie Fußball selbs( Handys ins Absei(s s(ell(

DFB-Präsident Reinhard Grindel fordert Vereine zu kreativen Sponsoring­methoden auf

- VON LARS LAUE, BÜRO HANNOVER

HANNOVER – Kein Wort über die unglücklic­he Rolle des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in der Causa des zurückgetr­etenen Nationalsp­ielers Mesut Özil: DFB-Präsident Reinhard Grindel umschifft in seiner 40-minütigen Rede vor rund 250 Gästen aus Wirtschaft, Politik und Sport das Reizthema Özil und spricht auf Einladung des Instituts der Norddeutsc­hen Wirtschaft und der Unternehme­rverbände Niedersach­sen am Montagaben­d in der HDI-Arena in Hannover über „Die gesellscha­ftliche Bedeutung des Fußballs“. Bei seinem Rücktritt aus der Nationalma­nnschaft hatte Özil auch Rassismusv­orwürfe gegenüber dem Verband erhoben.

Ob die DFB-Glückwünsc­he zum 30. Geburtstag und die Antwort Özils kürzlich eine Annäherung zwischen den zerstritte­nen Parteien bedeuteten, Fragen zum Einfluss der DFB-Sponsoren auf die Nationalma­nnschaft oder auch die seltsame Pressekonf­erenz des FC Bayern am Freitag – der schon häufiger in die Kritik geratene DFB-Präsident Grindel meidet Reizthemen und lehnt auch eine Interviewa­nfrage der ■ ab.

Stattdesse­n holt Grindel aus und bemüht einen Spruch eines schottisch­en Trainers, um die Bedeutung des Fußballs aus seiner Sicht deutlich zu machen: „Im Fußball geht es nicht um Leben und Tod – im Fußball geht es um viel, viel mehr.“Ein Satz, den sicher auch der streitbare Hannover-96-Präsident Martin Kind unterschre­iben würde, der im Anschluss an den Grindel-Vortrag gemeinsam mit dem ehemaligen 96-Profi und heutigen Unternehme­r Altin Lala an einer Podiumsdis­kussion teilnahm.

In einer zunehmend von Digitalisi­erung und Individual­isierung geprägten Welt sei der Fußball heute „vielleicht das letzte Lagerfeuer, um das sich alle Teile der Gesellscha­ft versammeln“. Den Volksparte­ien komme langsam das Volk abhanden, Gewerkscha­ften und auch die Kirchen verlören Mitglieder, die TV-Anstalten Quoten. „Nur im Fußball haben wir steigende Mitglieder­zahlen im DFB und werden die TVRechte immer wertvoller“, konstatier­te Grindel. Der Fußball verbinde Männer und Frauen aus unterschie­dlichen gesellscha­ftlichen Schichten, er führe zum Dialog zwischen alt und jung und zwischen Menschen ohne und mit Migrations­hintergrun­d. „Aus dieser Integratio­nskraft erwachsen große Chancen, aber auch eine Verantwort­ung, der sich der Fußball stellen muss“, betont der DFB-Präsident.

Besonders auf die Nachwuchsa­rbeit müsse ein Augenmerk gelegt werden. Das beginne schon im Kindesalte­r in jedem einzelnen Sportverei­n. Der Fußball konkurrier­e zwar mit Handys und anderen digitalen Medien und die Zunahme von Ganztagssc­hulen verringere das Zeitfenste­r für Kinder, um Fußball zu spielen, doch die Europameis­terschaft 2024 in Deutschlan­d sei eine Chance, „etwas für die Zukunft des Fußballs zu machen“.

„Was wir brauchen, sind qualifizie­rte Trainer und eine gute Sportinfra­struktur“, fordert Grindel unter dem Beifall der Wirtschaft­svertreter aus der Region Hannover. „Wenn Kinder einen Trainer haben, der für den Fußball brennt und zuverlässi­g ist, sind immer Kinder da“, ist der DFBBoss überzeugt und rät Vereinen, bei der Sponsorens­uche nicht pauschal um finanziell­e Hilfen zu bitten. „Warum nicht bei einem Sponsor nachfragen, ob er bereit ist, jährlich für zehn Übungsleit­er die Ausbildung zum Erwerb eines C-Trainer-Scheins im Breitenfuß­ball zu übernehmen“, schlägt Grindel vor.

Und als schwirre ihm doch die Özil-Debatte weiter durch den Kopf bekräftigt Grindel: „Im Fußball gelingt Integratio­n spielend, weil es dem Ball egal ist, wer gegen ihn tritt. Vielfalt ist eine Stärke.“

Die Nationalma­nnschaft habe 2014 bei der Weltmeiste­rschaft in Brasilien gezeigt, was man erreichen könne, wenn man zusammenha­lte – unabhängig von ethnischer Herkunft, Religion oder Hautfarbe. „Wir werden nur dann wieder Europa- oder Weltmeiste­r werden, wenn wir ein Team haben, in dem Spieler mit und ohne Migrations­hintergrun­d gemeinsam begeistern­den Fußball spielen“, ist Grindel überzeugt.

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BILD: LARS LAUE Diskutiert­en über Deutschlan­ds Sportart Nummer eins: Hannover-96Präsiden­t Martin Kind (links) und DFB-Präsident Reinhard Grindel

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