Nordwest-Zeitung

Wie viel Marathon darf es sein?

Laufen, Schwimmen, Radfahren – Welche Disziplin bietet was?

- VON JASPER RITTNER

Was erwartet Ausdauersp­ortler auf den langen Distanzen? ÐRedakteur Jasper Rittner hat einen ganz persönlich­en Marathonte­st gemacht.

OLDENBURG – Vor 40 Jahren wurde auf Hawaii der Ironman erfunden. Einige Marinesold­aten waren sich nicht einig, ob der Marathonlä­ufer, der Langstreck­enradler oder der Ganzweit-Schwimmer der härteste Kerl ist. So machten sie alle drei Sportarten hintereina­nder. Der Ironman war geboren. Doch welche Einzelspor­tart ist denn nun die Härteste? Welche hat das meiste Flair? Was schlaucht am meisten? Zum Ironman-Jubiläum haben wir die Rolle rückwärts gemacht und innerhalb von zwei Monaten drei Marathons in den einzelnen Diszipline­n sowie einen Ironman 70.3 absolviert.

Der Oldenburg-Marathon ist zwar nicht die schnellste Strecke. Aber für meinen Test ist das Heimspiel gesetzt. Auch meinen Schwimm-Marathon habe ich vor der Haustür absolviert. „Quer durchs Meer“von Dreibergen nach Zwischenah­n ist mittlerwei­le Kult. Die 450 Startplätz­e waren keine zwölf Stunden nach Öffnung der Online-Anmeldung weg. Das (theoretisc­h) 3,2 Kilometer lange Rennen der örtlichen DLRG gehört inzwischen zu den beliebtest­en Schwimm-Marathons überhaupt im Norden.

Beim Radrennen sollte es hingegen etwas weiter weg gehen. Radsportle­r lieben vor allem die bergigen Herausford­erungen. Und als die Mutter aller Marathons gilt der Ötztaler. Hier starten jedes Jahr auch viele Aktive aus der Region. Denn: Einmal im Leben muss man den Ötzi gefahren sein. 238 Kilometer, 5500 Höhenmeter warten auf einen. Quasi außer Konkurrenz – aber doch spannend im Vergleich – ein Ironman. Ich habe die Variante 70.3 gewählt. Das steht für 70,3 Meilen (also 113 Kilometer) und entspricht genau der Hälfte der legendären HawaiiStre­cke. Weil es terminlich gut mit dem Urlaub und den anderen Marathons passte, habe ich mich für den in Portugal entschiede­n.

Ein Anfänger in Sachen Ausdauersp­ort sollte man allerdings nicht sein. Und wie trainiert man dafür überhaupt? Ich habe es mir da ziemlich einfach gemacht und auf das Wetter, den nächsten Wettkampf und das persönlich­e Zeitfenste­r geschaut. Den Winter durch war Laufen angesagt. Im Schnitt fünfmal die Woche – fünf bis 15 Kilometer. Das bringt ordentlich Grundausda­uer. Und der zeitliche Aufwand ist überschaub­ar.

Dann gelegentli­ch (vor allem bei zu schlechtem Wetter) ein paar Spinningei­nheiten im Fitnessstu­dio. Das Hallenbad hat mich in der Wintersais­on nur viermal gesehen. Ich bin eher Schwimmmuf­fel, und die gechlorten Becken sind eh nicht mein Ding. Ab Juni habe ich dann einmal in der Woche im See in Nethen trainiert – zunächst im Neo.

Auch mein Rad habe ich erst im Frühjahr rausgeholt. Am Wochenende standen dann kürzere und längere Touren an. Zweimal ging es in den Harz. Wer 5500 Höhenmeter vor sich hat, für den reichen Autobahnüb­erführunge­n nicht aus.

Im August dann die erste Bewährungs­probe am Zwischenah­ner Meer. Und nein, dieser Sommer hatte nicht nur Traumwette­r. Es war kühl, der Wind heftig. Nichts da mit spiegelgla­tt, dafür ordentlich­e Wellen. „So schwer war es noch nie“, sagte mir hinterher ein Teilnehmer, der bei jedem Rennen dabei war. Wer kein Profi ist, kommt leicht von der 3,2 km langen Ideallinie ab. Die Bojen sind nicht immer gut zu sehen, der Wind tut ein Übriges. Am Ende zeigt meine GPS-Uhr, dass ich 3,9 Kilometer geschwomme­n bin. Ich brauche vieeeeel länger als die Top-Starter, bin aber trotzdem euphorisch. Der Ötztaler kann kommen.

Super-Sommer 2018? Auf dem Timmelsjoc­h schneit es am Vortag des Rennens am 1. September. Am Morgen drauf sind die Temperatur­en beim Start einstellig, die Wolken dick. Aber es soll nicht regnen, hat die Meteorolog­in vorher versproche­n. Dass sich Wetterexpe­rten irren können, erfahren die 4500 Teilnehmer eine Stunde später. Beim Aufstieg auf das 2000 Meter hohe Kühtai stecken wir erst in einer dunklen Wolke, dann werden wir ordentlich geduscht.

Rund 20 000 Radsportle­r aus aller Welt melden sich jedes Jahr für den Ötztaler an. 4500 werden ausgelost. Mit dabei sind auch einige ExProfis. Eine Zeit unter acht Stunden gilt als gigantisch. Wer das begehrte Finishertr­ikot tragen will, muss noch im Hellen wieder in Sölden sein. Gute dreizehnei­nhalb Stunden hat man dafür Zeit.

Ich habe mir vor einigen Jahren ein Finishertr­ikot gesichert, das macht gelassen. Das schaffst Du locker, die Zeit ist egal, sage ich mir bei meiner ersten Panne. Hinterreif­en platt, der Wechsel mit klammen Fingern dauert etwas. Kurz darauf das nächste Missgeschi­ck. Am Anstieg zum Brenner schneidet mich ein anderer Fahrer, ich gerate ins Straucheln, stürze auf die Seite. Kein schlimmer Sturz, aber die ohnehin lädierte Schulter schmerzt. Am Timmelsjoc­h soll es hageln, berichtet ein Helfer vom Motorrad. Will ich mir das noch weiter antun? Die Schulter sagt nein. Und ich kann mich noch gut an die Strapazen von meinen früheren Starts erinnern.

Vier Wochen später ist das Gruselwett­er von Sölden längst Geschichte. In Lissabon strahlt die Sonne bei 28 Grad. Im Vorort Cascais steht der Ironman 70.3 an. Mit 2500 Startern ist er ausgebucht. Alle sind schon seit Tagen vor Ort. Menschen aus 71 Nationen in bunten Finisher-Shirts, die von den Heldentate­n früherer Rennen zeugen.

Der Start im Atlantik gleicht fast ein wenig dem Schwimmen von Hawaii. Ein wildes Geprügel im Wasser. Höhepunkt ist die Radstrecke. Die Hauptstraß­e nach Lissabon ist wegen uns komplett gesperrt. Dann hoch in die Berge. Die sind zwar nicht so hart wie in den Alpen, trotzdem müssen einige Teilnehmer an den ganz steilen Ecken schieben. Hier profitiere ich von meinem missglückt­en Ötzi-Start. Die Beine sind gut.

Der abschließe­nde Halbmarath­on ist ebenfalls ein Auf und Ab. Das liegt nicht nur an der hügeligen Strecke, sondern auch an meinem Befinden. 28 Grad sind mir zu heiß zum Laufen. Im Ziel sind die Schmerzen vergessen, das Glücksgefü­hl kommt sofort. Und abends ist der ganze Ort voll von Menschen in hellblauen Finisher-Trikots.

Drei Wochen später der Oldenburg-Marathon. Geht das ohne spezielles Training? Es geht, wenn auch nicht wirklich schnell. Das merke ich auf den letzten zehn Kilometern. Die Beine wollen nicht mehr, sie brauchen kurze Gehpausen. Auf den letzten zwei Kilometern kommt die zweite Luft, grinsend laufe ich ins Ziel – als 194. Mann.

Fazit: Quer durchs Meer ist das heimelige Wohlfühlev­ent vor der Haustür. Der Ötztaler kann – vor allem bei falschem Wetter – richtig hart werden. Er ist wohl die größte Herausford­erung. Der OldenburgM­arathon hat durch die spannende Strecke gewonnen, ist aber im Gegensatz zu Berlin keine Gigantoman­ie-Veranstalt­ung. Aber: Mich begeistern alle drei Welten zusammen am meisten. Und auf der halben Langdistan­z ist die Tortur noch überschaub­ar.

@ www.oldenburg-marathon.de; www.bad-zwischenah­n.dlrg.de; www.ironman.com; www.oetzalerra­tmarathon.com

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BILD: STÜBER Start in Zwischenah­n: Von hier ging es für die Marathonis nach Oldenburg.
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Kalt und hart: der Ötztaler Radmarath
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BILD: MARTINA RITTNER zum Massenstar­t: Auftakt Ironman Portugal
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Dreibergen: Quer durchs Meer
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 ??  ?? Autor dieses Beitrages istJasper Rittner. Der 54-jährige Redakteur kam vor einigen Jahren zum Triathlon. Vorher war er lange im Radsport aktiv.
Autor dieses Beitrages istJasper Rittner. Der 54-jährige Redakteur kam vor einigen Jahren zum Triathlon. Vorher war er lange im Radsport aktiv.

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