Nordwest-Zeitung

Mit Gebärden gegen Gewalt vorgehen

Edith-Russ-Haus zeigt Werke des Künstlerdu­os Noor Afshan Mirza und Brad Butler

- VON JÜRGEN WEICHARDT

Im Zentrum steht die Arbeit „The Scar“, eine großformat­ige MixedMedia-Installati­on. Sie geht etwa der Frage nach, wie man sich auf der Straße verhalten soll – auch als Demonstran­t.

OLDENBURG – Beide Künstler arbeiten schon lange zusammen. Und beide nutzten ihren Aufenthalt in Oldenburg – sie hatten 2017 ein Stipendium des Edith-Russ-Hauses – für eine Auseinande­rsetzung mit politische­n Fragen, insbesonde­re zur Rolle der Frau in der Welt. Jetzt wird das Ergebnis ihrer Arbeit in deutscher Erstauffüh­rung und zeitgleich zu einer Präsentati­on in London vorgestell­t.

Ein Autounfall

Noor Afshan Mirzas und Brad Butlers Video „The Scar“(Die Narbe) bildet den Schwerpunk­t ihrer Ausstellun­g. Basierend auf einem realen Auto-Unfall zeigt der erste Teil des Videos mit dem Titel „The State of the State“die vier türkischen Insassen des Unfallwage­ns, ein Politiker, ein Polizeiche­f, ein rechtsradi­kaler Terrorist und Yenge, eine Frau auf dem Weg zur Scheidung.

Sie unterhalte­n sich, unterbrech­en aber die fiktiven Gespräche für Telefonanr­ufe und Erinnerung­en und entblößen dabei ihre politische­n Ansichten. Nur Yenge ist stumm, als Frau hat sie in diesem Kreis konvention­ell nichts zu sagen.

Waffen und Drogen

Im zweiten Teil unterbrich­t sie das männliche Prahlen, während der Wagen in die Katastroph­e fährt, was zur Aufdeckung der zu den Positionen der Männer unpassende­n Ladung im Kofferraum führt: Waffen und Drogen. Der dritte Teil („The Gossip“Der Klatsch) lässt Frauen in aller Welt von ihrem protestier­enden Bemühen um Anerkennun­g und Gleichbere­chtigung berichten. Auch das ist Fiktion, nähert sich aber den realen Erzählunge­n, wie sie zum Beispiel auf der diesjährig­en

Berliner Biennale zu hören waren.

Dieser Kampf, der in Teilen Asiens, aber auch in Afrika viel härter geführt wird als im privilegie­rten Europa, das zeigt die Haltung der Frauen, ist das dominieren­de Thema der Ausstellun­g. Eine Performanc­e verdeutlic­ht das grundlegen­de Problem: Eine Frau zieht ein fremdes rotes Kleid über – Symbol der Selbstausl­ieferung an Konvention­en

–, nagelt sich damit an einen Baum und versucht, sich loszureiße­n: Bindung und Befreiung – es wird auch von einem Dorf nur für Frauen gesprochen. Das früheste, ebenfalls gezeigte Video „The Exception and the Rule“(Ausnahme und Regel), stammt aus dem Jahr 2009. Es demonstrie­rt die Kontraste im Stadtbild der Länder Indien und Pakistan. In Ägypten, wo die arabische Revolution ja letztlich nicht zum Zuge kam, gab es Handzettel, die nun in der Schau gezeigt werden. Auf den Handzettel­n sind kurze Texte und Figuren zu sehen. Sie deuten unter anderem darauf hin, wie Protestier­ende sich auf der Straße intelligen­t verhalten sollten. Das ist nicht ohne Ironie geraten.

Noor Afshan Mirza und Brad Butler arbeiten in ihren Videos vorwiegend mit Nahaufnahm­en, weil ihnen die fiktiven Reaktionen der Personen wichtig sind. Die Rolle des Körpers, dessen Haltungen und Gebärden zu und gegen Gewalt sind Stoff einzelner Performanc­es, die in ihrer Kargheit und Stringenz durchaus überzeugen. Ebenso knapp und zugespitzt sind die Gesprächsf­etzen im Auto, die dann dennoch entlarven.

Mirza und Butler leisten mit dieser Ausstellun­g im Oldenburge­r Haus für Medienkuns­t einen reizvollen und vielseitig­en Beitrag zu Möglichkei­ten der Kunst. Sie zeigen, wie besonders Videos zur Darstellun­g von politische­n Problemen dienen können.

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BILD: EMMA. J. RICHARDS/RUSS-HAUS „Emma Jane Richards“, ein Foto aus der Installati­on von Noor Afshan Mirza und Brad Butler
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BILD: EDITH-RUSS-HAUS Drei MKnner bei der Betrachtun­g einer TrophKe: ein Foto aus dem Video des Künstlerdu­os

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