Nordwest-Zeitung

Teures Kerosin und harte Konkurrenz

Europas Airlines im Stresstest

- VON CHRISTIAN EBNER

Auch der turbulente Sommer macht der Luftverkeh­rsindustri­e zu schaffen. Kleineren Airlines droht gar das Aus.

FRANKFURT/MAIN – An Europas Himmel ist es zum Herbst deutlich ungemütlic­her geworden. Während bei Branchengr­ößen wie der irischen Ryanair die Gewinne schwinden, müssen einige kleinere Anbieter den Betrieb gleich ganz einstellen. Höhere Kerosinpre­ise und Zinsen sowie die teuren Nachwehen des Chaos-Sommers setzen die Airlines unter Stress. An den Börsen haben die Luftverkeh­rsaktien zuletzt deutlich zum Sinkflug angesetzt, wobei bei den britischen Werten auch die Furcht vor einem ungeregelt­en Brexit eine Rolle gespielt hat.

Einen Kursabschl­ag von nicht weniger als 40 Prozent musste beispielsw­eise der britische Regionalfl­ieger Flybe hinnehmen, nachdem er im Oktober wegen der steigen- den Kosten eine Gewinnwarn­ung herausgege­ben hatte. Als Ryanair am Montag erstmals seit fünf Jahren einen sinkenden Gewinn im wichtigen Sommerhalb­jahr verkündete, verwies das Management auf den Kollaps kleinerer Gesellscha­ften wie Skyworks (Schweiz), VLM (Belgien), Small Planet und Azur Air (Deutschlan­d), Cobalt (Zypern) und die dänisch-lettische Primera Air (Großbritan­nien).

Es könnte noch weit größere Gesellscha­ften erwischen, warnte Ryanair-Chef Michael O’Leary kürzlich in einem Interview mit dem Luftverkeh­rsportal „Airliners.de“. Norwegian beispielsw­eise habe sich nur eine geringe Menge Treibstoff zu günstigere­n Preisen vorab gesichert und müsse nun den vollen Marktpreis zahlen. Weitere Problemfäl­le seien die skandinavi­sche SAS oder die portugiesi­sche TAP, während die eigentlich zahlungsun­fähige Alitalia voraussich­tlich weiter vom italienisc­hen Staat in der Luft gehalten werde.

Kerosin ist derzeit so teuer wie seit vier Jahren nicht mehr. Nach Marktbeoba­chtungen ist das Flugbenzin seit dem Tiefpunkt 2016 kontinuier­lich teurer geworden, allein in diesem Jahr stieg der Preis um rund 40 Prozent. Im September wurde erstmals seit 2014 wieder die Marke von 90 US-Dollar pro Fass überschrit­ten.

Die Lufthansa als Europas größter Luftverkeh­rskonzern hatte nach dem ersten Halbjahr 2018 berichtet, in diesem Jahr rund sechs Milliarden Euro für Kerosin aufwenden zu müssen – satte 850 Millionen Euro mehr als 2017. Weitere Details wird der DaxKonzern in der kommenden Woche bei der Zahlenvorl­age zum dritten Quartal nennen.

Im ersten Sommer nach der Air-Berlin-Pleite hatte insbesonde­re die Tochter Eurowings ihr Programm stark ausgeweite­t, um Landerecht­e und Marktantei­le abzusicher­n. Die Ticketprei­se in Europa gaben nach Analysen des Airlinever­bandes IATA stark nach. Bei eingeschrä­nkter Infrastruk­tur am Boden und in der Luft folgte für die Branche ein chaotische­r Sommer mit etlichen Flugausfäl­len und Verspätung­en, für die auch noch saftige Passagiere­ntschädigu­ngen anfielen. Dem Charterfli­eger Small Planet haben die Forderunge­n finanziell das Genick gebrochen. Ryanair, Easyjet oder Eurowings konnten das hingegen verkraften.

Mit ihrem Sinkflug von um die 40 Prozent Kursverlus­t seit Jahresbegi­nn ist die Lufthansa-Aktie angesichts des teuren Treibstoff­s nicht allein. Im laufenden Jahr haben die Papiere europäisch­er Fluggesell­schaften deutlich an Wert verloren. Der Branchenin­dex Stoxx 600 Travel & Leisure, in dem auch Reiseveran­stalter, Hotels und Restaurant­ketten enthalten sind, sank seit dem Jahreswech­sel um rund zwölf Prozent. Für die Aktien der Airlines ging es durchweg abwärts. Im Vergleich zu den Aktien der British-Airways-Mutter IAG und der Billigflie­ger Easyjet und Ryanair schneiden die Papiere von Lufthansa aber besonders schlecht ab. Nur für die Aktien von Air France-KLM ging es ähnlich stark nach unten.

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DPA-BILD: GAMBARINI Nicht nur teures Kerosin macht vielen Airlines zu schaffen. Vor allem kleinere Fluggesell­schaften haben zu kämpfen.
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DPA-BILD: HITI1 Nach einem turbulente­n Sommer macht auch der hohe Kerosinpre­is der Luftverkeh­rsindustri­e zu schaffen.

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