Nordwest-Zeitung

Druck auf Weil muss wachsen

Was es braucht, damit der Ministerpr­äsident nach Berlin wechselt

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Der 41-Jährige berichtet als Landeskorr­espondent dieser Zeitung aus Hannover. @Den Autor erreichen Sie unter Laue@infoautor.de Lars

Soll ich’s wirklich machen oder lass ich’s lieber sein? Ministerpr­äsident Stephan Weil gilt in politische­n Kreisen als potenziell­er Nachfolger von Andrea Nahles an der Spitze der Bundespart­ei. Der Sozialdemo­krat, geboren am 15. Dezember 1958 in Hamburg und seit 1965 wohnhaft in Hannover, gilt als Kämpfer und Hoffnungst­räger. Hat er doch im Kampf um die Macht im Land voriges Jahr gezeigt, wozu er in der Lage ist.

Die Ausgangsla­ge für die Sozialdemo­kraten war denkbar schlecht, hatte die einstmals Grüne Elke Twesten die rot-grüne Koalition durch ihren Wechsel zur CDU doch platzen lassen. Der Regierungs­chef stand vor einem Scherbenha­ufen, gab sich aber nicht auf, sondern kämpferisc­h. Geschickt wendete er das Blatt, sprach von einer Intrige und krempelte die Ärmel hoch.

Der ehemalige Richter und Staatsanwa­lt ist dafür bekannt, ein guter strategisc­her Denker zu sein. Und so nutzte der frühere Oberbürger­meister der Landeshaup­tstadt Hannover die vorgezogen­en Neuwahlen, um seine Qualitäten als Wahlkämpfe­r und Polit-Profi unter Beweis zu stellen.

So leicht drängt man einen Stephan Weil nicht aus dem Amt, das musste auch CDUHerausf­orderer Bernd Althusmann lernen. Die beiden einstigen Kontrahent­en duzen sich zwar mittlerwei­le, aber Weil lässt – zwar charmant, aber unmissvers­tändlich – keinen Zweifel daran, wer der Ministerpr­äsident im Land ist und wer der Vize, nämlich Althusmann. Als dieser ankündigte, zum Moorbrand nach Meppen fahren zu wollen, hieß es morgens noch, dass der Ministerpr­äsident

keine entspreche­nden Pläne verfolge. Als in der Staatskanz­lei allerdings ankam, dass Althusmann nach Meppen reisen will, hieß es um 17.27 Uhr in einer Mail aus der Staatskanz­lei plötzlich: „Ministerpr­äsident Weil wird sich morgen gemeinsam mit Bundesvert­eidigungsm­inisterin von der Leyen in Meppen ein Bild von der aktuellen Lage des Moorbrande­s machen.“

Und als der Wirtschaft­sund Digitalisi­erungsmini­ster Althusmann endlich seinen Masterplan Digitalisi­erung für Niedersach­sen vor der versammelt­en Landeshaup­tstadt-Presse vorstellen wollte, ergriff nicht er das Wort – sondern der Ministerpr­äsident.

Dieser führt die Große Koalition in Niedersach­sen nicht nur mit ruhiger Hand, sondern offensicht­lich auch mit großer Freude. „Ich bin gern Ministerpr­äsident von Niedersach­sen“, wiederholt Weil gebetsmühl­enartig, wenn er danach gefragt wird, ob er sich einen Wechsel aufs Berliner Parkett vorstellen könne.

Und wer Weil beim Regieren beobachtet, merkt, dass seine Standardan­twort auf die Berlin-Frage aus ganzem Herzen kommt. Weil kann Wahlkampf, er kann Ministerpr­äsident. Der 59-Jährige erreicht mit seiner menschelnd­en Art, die zuweilen an den früheren Bremer Bürgermeis­ter Henning Scherf mit seinen stadtbekan­nten Sekundärqu­alitäten „Knuddeln und Knutschen“erinnert, die Menschen und ver- fügt über entspreche­nd hohe Sympathiew­erte. Nicht nur in der Landeshaup­tstadt, sondern auch in Berlin wünschen ihn sich viele Sozialdemo­kraten daher als Nachfolger von Andrea Nahles. Dem Regierungs­chef und Vorsitzend­en des mächtigen Landesverb­ands Niedersach­sen wird zugetraut, die Bundes-SPD aus ihrer tiefsten Krise zu führen.

„Ich habe viel Freude dabei, an der Zukunft unseres Landes zu arbeiten“: Dieser Satz findet sich gleich auf der Startseite des Internetau­ftritts von Stephan Weil. Vertraute sagen, der Ministerpr­äsident wolle nicht nach Berlin. Noch sei der Druck nicht groß und der Ruf der Genossen aus der Bundeshaup­tstadt nicht laut genug.

Und selbst dann stellt sich für den Landesvate­r die Frage, ob er sich in Tagen, in denen die SPD in der Wählerguns­t einen historisch­en Tiefpunkt erreicht hat, das vergleichs­weise beschaulic­he Hannover verlassen und sich ins Haifischbe­cken Berlin begeben soll. „Er wäre schön blöd“, meinen manche Beobachter, andere glauben, dass er sich des Rufs auf Dauer nicht erwehren könne. Vielleicht reicht der Druck nach der Hessen-Wahl schon aus.

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Laue.

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