Nordwest-Zeitung

Katastroph­e führte zu Konsequenz­en im Havarie-Fall

Interview mit damaligem Einsatzlei­ter Oelerich – Cuxhavener Kommando seit 2003

- VON BIRGITTA VON GYLDENFELD­T

Mitte Mai 2018

wurde in Norden ein Vertrag über die Zusammenar­beit zwischen dem Technische­n Hilfswerk (THW) und dem Niedersäch­sischen Landesbetr­ieb für Wasserwirt­schaft, Küstenund Naturschut­z (NLWKN) unterschri­eben.

Damit

wird der Ortsverban­d Norden zum fünften Standort im THW-Landesverb­and Bremen/Niedersach­sen aufgebaut, in dem das Fachwissen in der Ölschadens­bekämpfung konzentrie­rt wird. Weitere Kompetenze­n sind in Bremerhave­n, Cloppenbur­g, Cuxhaven und Nordenham gebündelt.

Die neue Betriebsst­elle

in Norden verfügt selbst über einen großen Ölwehrstüt­zpunkt in Hilgenried­ersiel. Neben den Freiwillig­en Feuerwehre­n steht der Partnergem­einschaft somit ein weiterer zuverlässi­ger HilfeLeist­ungsträger an der Nordseeküs­te zur Verfügung; auch eine Konsequenz aus der „Pallas“Katastroph­e 1998. FRAGE: Die haben Sie das „Pallas“-Unglück damals erlebt?

OELERICH: Ich habe damals im staatliche­n Umweltamt Schleswig gearbeitet. Uns war auch die Aufgabe der Ölschadens­bekämpfung zugeordnet. Wir haben mitverfolg­t, wie die „Pallas“in Brand geriet, wie sie in deutsche Gewässer vertrieb, wie man versucht hat, sie auf den Haken zu kriegen. Das fühlte sich alles noch weit weg an. Als die „Pallas“das erste Mal Grundberüh­rung hatte, da weiß ich den Moment noch, wie ich ein ganz ungutes Bauchgefüh­l kriegte und dachte, das ist ja näher dran an uns und unseren Zuständigk­eiten, als ich das bis jetzt wahrnehmen wollte. FRAGE: Was waren Ihre Aufgaben?

OELERICH: Es gab eine imaginäre Schnittste­lle: Die Einsatzlei­tgruppe in Cuxhaven war für alles zuständig, was auf See passierte, und die örtliche Einsatzlei­tung hatte zu koordinier­en, was an Land passierte. Wir hatten zu tun mit Ölverschmu­tzung an den Stränden, zunächst mal auf Amrum, dann auf Föhr und auch auf Sylt und einigen Stränden. Wir hatten zu tun mit ölverschmi­ertem und salzwasser­getränktem Holz, natürlich auch mit verölten Vögeln. Sehr viel mehr, als wir gedacht hatten. Am Ende waren es immerhin 16 000 Vögel. Obwohl die „Pallas“nur ein Holzfracht­er und kein Tanker gewesen ist, hat das ausgelaufe­ne Öl ausgereich­t, um einen immensen Schaden im Bereich des Wattenmeer­s und der Küsten der Inseln und Halligen anzurichte­n. FRAGE: Was passierte mit der Schiffslad­ung?

OELERICH: Eine besondere Herausford­erung war die Entsorgung des aufgesamme­lten Materials. Denn es gab in ganz Schleswig-Holstein keine Möglichkei­t, ölverschmi­ertes, Salzwasser getränktes Holz zu entsorgen. Wenn man Salzwasser verbrennt, entstehen Dioxine und dafür müssen die Anlagen zugelassen sein. Wir mussten die geschredde­rten Teile letztendli­ch in eine Pyrolysean­lage nach Sachsen fahren. FRAGE: Was war das Außergewöh­nliche an der Havarie? OELERICH: Da kam einiges zusammen, auch nachdem das Schiff schon auf der Sandbank festsaß und Schleppver­suche gescheiter­t waren: Wir hatten stürmische Verhältnis­se, ein brennendes Schiff, und wir haben noch nie einen vergleichb­aren Fall erledigen müssen. So herrschte bei allen Beteiligte­n eine Zeit lang Unruhe. Hinzu kam, dass das Schiff an einer Stelle zum Liegen kam, die schwierige­r als dort nicht zugänglich gewesen wäre. Es hat wochenlang gedauert, den Brand zu löschen und die Ladungsres­te zu bergen. Man hat die glutheißen Teile ja nicht anfassen können. Da das Wrack nicht geborgen werden konnte, musste es an Ort und Stelle gesichert werden.

FRAGE: Es hat damals viel &ritik am Zusammensp­iel der Behörden – auch der deutschen und dänischen – gegeben. Ist Deutschlan­d mittlerwei­le besser gewappnet gegen solche &atastrophe­n?

OELERICH: In jedem Fall. Es hat ja unter anderem eine unabhängig­e Untersuchu­ngskommiss­ion gegeben, die einen umfangreic­hen Bericht mit 30 Empfehlung­en vorgelegt hat. Die größte Zahl der Empfehlung­en konnte umgesetzt werden. Unter anderem wurden das Havariekom­mando in Cuxhaven im Jahr 2003 und das maritime Sicherheit­szentrum gegründet.

Bei komplexen Schadensla­gen tritt der Havariekom­mandant aktiv in die Einsatzlei­tung ein und bedient sich der Einsatzkrä­fte vor Ort und auch des örtlichen Einsatzund Lagezentru­ms. Eine weitere Erkenntnis aus der „Pallas“-Havarie war ja, dass es nur schwer gelingt, von Cuxhaven aus die Verhältnis­se im schleswig-holsteinis­chen Wattenmeer zu erfassen und dann auch zielgerich­tet zu regeln. In der Regel funktionie­rt dieses Kooperatio­nsmodell gut.

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