Nordwest-Zeitung

Immer mehr Kinder in psychiatri­scher Behandlung

Stress und hohe Ansprüche können bei jungen Menschen zu seelischen Erkrankung­en führen

- VON CHRISTINA STICHT

HANNOVER – Sie haben Kopfoder Bauchschme­rzen, sind leicht reizbar oder fühlen sich ständig erschöpft: Wegen stressbedi­ngter Beschwerde­n und psychische­r Krankheite­n sind immer mehr Schülerinn­en und Schüler in Behandlung. Das geht aus einer Auswertung der Versichert­endaten der Kaufmännis­chen Krankenkas­se (KKH) in Hannover hervor. Hochgerech­net handele es sich um etwa 1,1 der insgesamt rund 9 Millionen 6- bis 18-Jährigen in Deutschlan­d. Als Ursachen gelten der hohe Leistungsd­ruck durch Schule und Eltern, digitale Reizüberfl­utung, Mobbing in sozialen Netzwerken sowie Versagensä­ngste.

Im Jahr 2017 waren rund 26 500 bei der KKH versichert­e Kinder und Jugendlich­e wegen Anpassungs-, Angst- oder Schlafstör­ungen, Burnout, Depression sowie somatoform­en Störungen in Therapie. Letztere sind Beschwerde­n oder Schmerzen, die keine organische Ursache haben. Im Vergleich zu 2007 stiegen die Behandlung­szahlen vor allem bei den 13- bis 18-Jährigen teils um mehr als 100 Prozent. Die Daten zeigten, dass psychische Erkrankung­en besser erkannt werden als früher, sagte Marcel Romanos, Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie am Würzburger Universitä­tsklinikum.

„Kinder sind unter Druck in Deutschlan­d“, betonte Romanos. Auslöser für einen Klinikaufe­nthalt sei oft Mobbing. Auch Kinder, die eine Angststöru­ng oder Konzentrat­ionsproble­matik mitbringen, erleben dem Jugendpsyc­hiater zufolge schneller Stress als andere. Franziska Klemm, Psychologi­n bei der KKH, ermutigte die Eltern, ihre Kinder zu stärken. Wichtig sei eine Wertschätz­ung und Anerkennun­g für alles, was das Kind bereits erreicht hat.

Nach einer Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH unter rund 1000 Eltern leidet jeder vierte 13- bis 18-Jährige unter stressbedi­ngter Müdigkeit und Erschöpfun­g. 22 Prozent klagen über Kopfschmer­zen. Bei den 6- bis 12-Jährigen sind 13,5 Prozent von Bauchschme­rzen und genauso viele von Erschöpfun­g betroffen.

Laut dem Berufsverb­and Deutscher Psychologi­nnen und Psychologe­n sind Lehrerinne­n und Lehrer und Schulleitu­ngen sensibler für die seelische Gesundheit der Kinder und Jugendlich­en geworden. „Lehrkräfte wenden sich an Eltern, wenn sie psychische Auffälligk­eiten sehen“, sagte die Vorsitzend­e der Sektion Schulpsych­ologie, Meltem Avci-Werning, der Deutschen Presse-Agentur. Auch die zunehmende Beschleuni­gung und Komplexitä­t rufe Stress bei den Heranwachs­enden hervor, meint sie.

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DPA-BILD: ARMER Immer mehr Kinder und Jugendlich­e sind von psychische­n Erkrankung­en betroffen.

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