Selbst Tunnel kann Fähre nicht stoppen
Seit 50 Jahren Fährverbindung Brake8Sandstedt – Mit „Emma“:eiter auf Linie
Kapitän Peter Schultze fährt seit 25 Jahren auf der Fährverbindung Bra8 ke8Sandstedt. Mit seiner Selbstständigkeit hat er die Linie gerettet.
BRAKE/GOLZWARDEN – D35 Jahre und fünf Monate hab’ ich hier gearbeitet. Und nicht ein Tag davon war langweilig.“Da verwundert es nicht, dass Kapitän Walter Krapp auch nach Jahren im Ruhestand die Finger von der „Emma“nicht lassen kann. Für ihn ist es die helle Freude, wenn er ab und an aushilfsweise wieder das Kommando übernimmt und das Fährschiff zwischen dem Anleger in Golzwarden und dem in Sandstedt hin und her steuert. Vor 50 Jahren hatte er das zum ersten Mal gemacht.
Walter Krapp gehört auf der Fährverbindung BrakeSandstedt zu den Männern der ersten Stunde. Am 24. Oktober 1968 wurde dort Einweihung gefeiert. Ein weiterer Brückenschlag zwischen den Landkreisen Wesermarsch und Wesermünde sollte die Linie sein. „Anfangs war auf der Fähre nur ganz wenig los, aber das hat sich zurecht geruckelt.“
21 Fahrzeuge
In Zahlen bedeutete das, dass man mit der damaligen Fähre Dedesdorf nicht nur die zugelassenen 13 Fahrzeuge von Ufer zu Ufer transportiert hat, sondern auch mal 21. „Aber nur zur Not. Die standen dann auf der Klappe“, erinnert sich Walter Krapp an wilde Zeiten mit „Ausnahmen“, die man heute nicht mehr machen würde.
Im Heute fährt die „Emma“über die Weser. Dass die eigentlich gar nicht „Emma“heißt, sondern „Kleinensiel“, interessiert von der Besatzung niemanden. Irgendwann hat sich dieser liebevolle Kosename für das Fährschiff eingeschlichen und seither Bestand. „Emma“ist persönlicher. Und persönlich geht es an Bord zu.
Verbindung gerettet
Wer an Bord arbeitet, kann getrost als Original der Fährverbindung bezeichnet werden. Seit 25 Jahren ist die Weserverbindung für Kapitän Peter Schultze der Arbeitsplatz. Dabei ist es ihm zu verdanken, dass es die Fährverbindung Brake-Sandstedt überhaupt noch gibt. Denn mit Freigabe des Wesertunnels für den Autoverkehr 2004 sollte die Linie eingestampft werden. „Ich würde hier weitermachen wollen“, hat er damals gesagt. Angst, dass Autofahrer künftig nur noch den Tunnel nehmen und die Fähre ohne Passagiere bleibt, hatte er nicht. „Und wir sind immer noch da“, freut sich Peter Schultze, der zusammen mit zwei Mitstreitern 2005 den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, die Schnellfähre Brake-Sandstedt GmbH
& Co. KG gründete und seither die Fährlinie erfolgreich in Eigenregie bewirtschaftet. „Die ,Kleinensiel‘ war 2004 nach Holland verkauft worden. Wir haben sie 2005 zurückgeholt. Sie war die fast perfekte Fähre hierfür“, so der Kapitän. „Fast perfekt“nur deshalb, weil damals noch die Zulassung für Gefahrguttransporter fehlte, über die das Fährschiff aber mittlerweile verfügt. Die „Kleinensiel“wurde 1964 gebaut, „ist technisch aber auf dem Stand eines Neubaus“, sagt Peter Schultze.
Das Gros der Passagiere stellen die Berufspendler mit ihren PKW. 20 Prozent der transportierten Fahrzeuge seien aber LKW, die vom Braker Hafen kommen oder dahin wollen, so Schultze. Der Kapitän rechnet vor: Zeit- und Kilometerersparnis würden die Kosten für die Überfahrt wettmachen. Das würden immer mehr Speditionen merken. Aus den Reihen der Pendler kennt Peter Schultze manch einen seit zig Jahren, auch persönliche Schicksale bleiben ihm nicht verborgen: „Man sieht sich ja jeden Tag.“
Für den Schnack an Bord ist ansonsten auch Edelgard Jauczius zuständig: Sie ist die gute Seele im Bord-Kiosk und verkauft seit über 30 Jahren die „weltbeste Bockwurst“und literweise Kaffee. „Hier, probieren Sie! Die Bockwurst schmeckt auf der Fähre am besten“, erklärt die Dame, schiebt den Pappteller mit Wurst und Senf über den Tresen und schenkt einen Kaffee ein: „Der ist von Hand aufgebrüht und schmeckt wirklich.“Frikadellen hat sie ebenso im Angebot wie Süßigkeiten und belegte Brötchen zum Frühstück. Der nette Plausch ist kostenlos und wird von den Kunden gerne angenommen. Der Bordservice ist bekannt: „Nicht selten machen Großeltern mit ihren Enkeln einen Ausflug mit der Fähre und sind sofort im Kiosk“, weiß der Kapitän und steuert seine „Emma“auf die Weser raus. Ein junger Mann springt derweil aus seinem Golf auf der Ladefläche und flitzt eilig zu Edelgard Jauczius. Mit einem Lachen im Gesicht und zwei Bockwürsten in der Hand verlässt er kurze Zeit später wieder den Kiosk. Auf dem Weg zum Auto verputzt er die erste Wurst H er muss sich ranhalten. Schließlich dauert die Überfahrt nur knapp fünf Minuten.
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