Neue Spitze rückt Grüne nach links
Hans-Joachim Janßen aus der Wesermarsch mit 55 Prozent der Stimmen gewählt
Kum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren haben die niedersächsischen Grünen eine linke )oppelspitze. Auf dem Landesparteitag in Celle wird der Aufbruch beschworen.
CELLE – Auf dem Landesparteitag der niedersächsischen Grünen in Celle haben die Delegierten erstmals seit mehr als zehn Jahren ein linkes Spitzenduo bestimmt. Mit 55 Prozent der Stimmen wählten sie Hans-Joachim Janßen (57) aus Jade (Wesermarsch) an die Seite der im Amt bestätigten Anne Kura (34). Beide werden zum linken Parteiflügel gezählt. Der ehemalige Landtagsabgeordnete Janßen setzte sich gegen den bisherigen Amtsinhaber aus dem Realo-Lager, Stefan Körner (41), durch. Körner erhielt 42 Prozent der Stimmen, Kura 93 Prozent.
Vor der Wahl des neues Spitzenduos schwor der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, die Grünen auf Erfolgskurs ein. „Wir sind auf dem Weg, eine der wichtigsten und stärksten Parteien in diesem Land zu werden.“In einer halbstündigen Rede warb er für eine Neuausrichtung der Grünen und betonte: „Wir müssen es wagen, uns einzugestehen, wenn Fehler gemacht wurden; deswegen bin ich froh, dass wir Grüne sagen können: Hartz IV war ein Fehler, und wir müssen Hartz IV überwinden.“
Das neue Polizeigesetz in Niedersachsen lehnten die Grünen beim Parteitag einstimmig ab. Timon Dzienus von der Nachwuchsorganisation Grüne Jugend sagte, es stelle einen Angriff auf rechtsstaatliche Prinzipien dar und enthalte etliche Fehler. Wie andere Redner auch rief er dazu auf, im Schulterschluss mit den Bürgern den Gesetzentwurf zu Fall zu bringen.
Kura sagte mit Blick auf die rot-schwarze Landesregierung und den früheren Innenminister Uwe Schünemann (CDU): „Hier in Niedersachsen herrscht zum Teil Grabesruhe. Die Bürgerrechte werden auf dem Altar von Uwe Schünemann geopfert.“
Das neue Gesetz würde die Befugnisse der Polizei ausweiten. Gefährder können unter anderem für 74 Tage in Präventivhaft genommen werden. Zudem dürften Ermittler unbemerkt Schadsoftware auf Handys oder Computer von Verdächtigen spielen, um diese auszuspähen. Dzienus sagte beim Parteitag, dass die Be- hörden bei einer Wohnungsdurchsuchung wüssten, wie man wohnt. „Wer Zugriff auf dein Smartphone hat, der weiß im Zweifel, wie du denkst“, betonte er. Der später abgewählte Körner forderte beim Parteitag an die Adresse des niedersächsischen Ministerpräsidenten: „Stephan Weil, zieh dieses Gesetz zurück!“
Das neue Polizeigesetz gehört zu den zentralen Vorhaben der Landesregierung aus SPD und CDU. Ziel ist es, noch dieses Jahr über das Gesetz abstimmen zu lassen.
Der Höhenflug der Grünen macht nach Ansicht der Europaabgeordneten Rebecca Harms eine Neupositionierung der Partei als gesellschaftlicher Brückenbauer notwendig. Sie sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir müssen uns als Grüne überlegen, was die grüne Welle bedeutet und welche Veränderungsbereitschaft von uns bei aller Prinzipientreue erwartet wird.“Die gesellschaftliche Mitte sei für die Grünen kein Tabu.
„Ich bin der Meinung, dass sich die Begriffe Grüne und Mitte nicht ausschließen; wir müssen auch vermittelnde Positionen in einer zunehmend polarisierten Welt einnehmen“, sagte Harms, die bei der Europawahl im Mai nicht erneut antritt. „Der Vertrauensvorschuss, den die Grünen bekommen, verpflichtet uns gerade im Zusammenhang mit der Europawahl zu einer Positionierung bei den großen Themen – die Flüchtlingspolitik gehört dazu.“