Nur noch eine lahme Ente?
Wie das Ausland auf den angekündigten Rückzug Merkels reagiert
Die erste Auslandsreise nach der Ankündigung ihres Rückzugs von Parteiund Kanzleramt auf Raten führt Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Kiew. Die ukrainische Hauptstadt wird wohl ein relativ einfaches Pflaster für sie sein.
Etwas schwieriger dürfte es dann einen Tag später am Freitag bei den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Warschau werden. Die Reaktionen der polnischen Führung auf Merkels schrittweisen Rückzug waren nicht nur freundlich.
Hat Merkels Standing in der internationalen Politik durch die Ankündigung, sich im Dezember von der CDUSpitze und spätestens 2021 aus dem Kanzleramt zu verabschieden, gelitten? Nein, meinte die Kanzlerin jüngst am Rande des Afrika-Gipfels in Berlin. Jahrelang hat Merkel die Politik der EU geprägt. Bankenkrise, Finanzkrise, Flüchtlingskrise – sie war stets die Konstante in einem oft turbulenten Kontinent. Im Kreis der EU-Staats- und Regierungschefs ist sie die mit Abstand Dienstälteste.
Allerdings ist Merkel auf EU-Ebene schon seit Langem umstritten. Spätestens seit im Juni kurzfristig ein Mini-Migrations-Gipfel anberaumt wurde, ist ihr Autoritätsverlust offensichtlich. Gerade mal 16 von 27 Staats- und Regierungschefs kamen damals zusammen, um Merkel im unionsinternen Streit mit CSU-Chef Horst Seehofer zur Seite zu springen.
Eine Verteilung ankommender Migranten auf alle EU-Staaten konnte sie bis heute nicht durchsetzen – und sie wird sie auch nicht mehr durchbekommen. Der Schwerpunkt in der Migrationspolitik hat sich inzwischen auf den Schutz der EUAußengrenzen verschoben. Nicht mehr nur östliche EUStaaten wie Ungarn und Polen fahren einen Konfrontationskurs gegen Merkel, sondern auch einstige Verbündete wie Österreich.
Einige Staatschefs dürften froh sein, Merkel bald los zu sein. Italiens rechtspopulistischer Innenminister Matteo Salvini äußerte sich bereits schadenfroh über das schlechte Abschneiden der Groko-Parteien in Hessen. „Arrivederci Merkel“, skandiert er.
Vor allem für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron könnte es nun mit einer geschwächten Merkel schwieriger werden. Merkel ist in Europa stets im Tandem mit ihrem französischen Kollegen aufgetreten. Aber Merkel hat sich bei Europas Reformprozess zuletzt nicht besonders mutig gezeigt. Sie zog stets nur nach, wenn Macron vorpreschte, mit Ideen für eine Stärkung der Eurozone und Europas insgesamt.
Die nationalkonservative Regierung in Warschau schreibt gerade fundamentale EU-Werte in den Wind, indem sie den Zugriff der Politik auf das Justizsystem verstärkt. Großbritannien wird voraussichtlich am 29. März 2019 die Union verlassen. Und die neue Regierungskoalition aus populistischer Fünf-SterneBewegung und rechter Lega in Italien stellt sich mit ihren Plänen für eine deutlich höhere Neuverschuldung offen gegen vereinbarte EU-Regeln.
Die US-Regierung unter Donald Trump dürfte genau beobachten, wie weit die Schwächung Merkels auch eine Schwächung Europas bedeutet. Hier sind gerade etliche Rechnungen offen: etwa Strafzölle und Handelsüberschüsse oder das Atomabkommen mit dem Iran, aus dem die USA ausgestiegen sind, während Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland daran festhalten wollen. Zudem sind Trump die russischen Gaslieferungen nach Europa ein Dorn im Auge, will er doch teures amerikanisches Gas dorthin verkaufen.
Auch Russland ist ganz offensichtlich an einer Schwächung der EU interessiert. Doch Wladimir Putin weiß auch, dass er in Merkel trotz aller Konflikte innerhalb der westlichen Bündnisse eine verlässliche Gesprächspartnerin hat. Für die chinesische Führung ist Merkel ebenfalls ein wichtiger Ansprechpartner in der EU. Peking ist jedoch vor allem an westlicher Technologie interessiert, ob mit oder ohne Merkel.