Nordwest-Zeitung

Der Beginn eines langen Weges

- VON ELLEN KRANZ

Seit 100 Jahren dürfen auch Frauen wählen. Ein Inter9iew mit Gunilla Budde :58;, Professori­n für Deutsche und Europäisch­e Geschichte des 1<. und 20. Jahrhunder­ts an der Uni Oldenburg.

FRAGE: Was hat sich seit der Einführung des Frauenwahl­rechts verändert?

BUDDE: Es hat sich einiges getan. Wir haben eine Kanzlerin, und mit Jutta Limbach hatten wir die erste Präsidenti­n des Bundesverf­assungsger­ichts. Im Bereich der Wissenscha­ft haben wir einen Fortschrit­t gemacht. Heute ist es eine Selbstvers­tändlichke­it, dass Frauen erwerbstät­ig sind. FRAGE: Aber...

BUDDE: ... in der Politik sind Frauen noch zu wenig vertreten. Die Gefahr, dass es wieder einen Rückschrit­t gibt, ist vorhanden. Gerade unter jungen Studentinn­en erlebe ich, dass ihnen nicht bewusst genug ist, was bisher erreicht wurde. Man muss sich den bisherigen Weg klar machen und weiter kämpfen. Große Dax-Unternehme­n werden immer noch von Männern geführt. Wir sind weit entfernt von Gleichbere­chtigung und stehen am Beginn eines langen Weges.

FRAGE: Warum ist Politik immer noch überwiegen­d Männersach­e?

BUDDE: Daran sind die Frauen ein Stück weit selbst mit Schuld. Oft haben sie keine Lust auf die Ochsentour, sich früh zu engagieren. Gleichzeit­ig kommen Familienau­fgaben auf sie zu. Ein Stück weit scheuen die Frauen vor der Politik zurück, sie haben eher Skrupel, Aufgaben zu übernehmen, für die sie nicht ausgebilde­t sind. Und Familienau­fgaben sind immer noch primär Frauenaufg­aben. Das macht die Vereinbark­eit mit dem Beruf der Politikeri­n, der wenig klare Arbeitszei­ten kennt, schwierig.

FRAGE: Wie könnte es zu einer Veränderun­g kommen? BUDDE: Es gibt zwei „Königinweg­e“. Frauen müssen sich untereinan­der stärker vernetzen. Und sie müssen, wenn sie dann auf einer Position sind, junge Frauen besser fördern. Weibliche Vorbilder sind wichtig. Frauen dürfen nicht nur die Konkurrenz sehen. Gerade beim Networking haben Männer uns etwas voraus. Und es müsste eine stärkere Entlastung in der Kinderbetr­euung geben.

FRAGE: Stichwort „Frauenquot­e“– Ja oder Nein? BUDDE: Als junge Akademiker­in hätte ich die Frauenquot­e weit von mir gewiesen. Aber es sind immer noch überwiegen­d Oberärzte, Richter und Banker in Führungspo­sitionen. Deswegen sage ich heute, dass ich der Quote zugeneigt bin. Es geht nicht von selbst – und es reicht nicht, nur gute Leistung zu bringen. Aber man sollte dieses Thema mit Humor nehmen und mit Augenmaß für die Gleichbere­chtigung kämpfen.

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BILD: UNIVERSITÄ­T OLDENBURG

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