Nordwest-Zeitung

Dieselfahr­er verbünden sich gegen VW

Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and reicht Musterfest­stellungsk­lage ein

- VON THERESA MÜNCH

Dieselfahr­er kämpfen gemeinsam um Schadeners­atz. Sie werden allerdings einen langen Atem brauchen.

BERLIN/BRAUNSCHWE­IG – Verbrauche­rschützer haben im Diesel-Skandal die bundesweit erste Musterfest­stellungsk­lage auf den Weg gebracht. Stellvertr­etend für Zehntausen­de Dieselfahr­er zieht der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) gegen Volkswagen vor Gericht.

„Volkswagen hat betrogen und schuldet geschädigt­en Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn dafür Schadeners­atz“, forderte Vorstand Klaus Müller am Donnerstag. Das Oberlandes­gericht (OLG) Braunschwe­ig bestätigte am Morgen den Eingang der Klage. Der Verband hatte das Dokument nach eigenen Angaben noch in der Nacht per Fax beim Gericht eingereich­t. Die Übertragun­g der mehr als 240 Seiten schlug mehrmals fehl, gelang dann aber gegen 2 Uhr und dauerte fast 40 Minuten.

Das Instrument der Musterfest­stellungsk­lage ist ganz neu und erst seit Donnerstag in Kraft. Verbrauche­rschützer können damit stellvertr­etend für viele Betroffene gegen Unternehme­n klagen. Die Verbrauche­r selbst tragen dabei kein finanziell­es Risiko. Der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and will mit seiner Klage erreichen, dass Dieselfahr­er, die vom Rückruf bei Volkswagen betroffen sind, für den Wertverlus­t ihrer Fahrzeuge entschädig­t wer- den. Ziel sei, dass sie den Kaufpreis erstattet bekommen, sagte Müller.

Im September 2015 hatte VW Manipulati­onen an Dieselmoto­ren einräumen müssen. US-Umweltbehö­rden hatten festgestel­lt, dass nur bei Tests die Abgasreini­gung voll aktiviert war, während der Ausstoß auf der Straße viel höher lag. Vom Pflichtrüc­kruf bei Volkswagen sind 2,5 Millionen Autos betroffen. Ihre Besitzer können sich nun der Musterklag­e anschließe­n, wenn sie nicht bereits allein vor Gericht gezogen sind.

Die Anwälte des Verbands rechnen damit, dass sich mehrere Zehntausen­d Dieselfahr­er in das offizielle Register eintragen. Nach Angaben des ADAC, der die Klage zusammen mit den Verbrauche­rschützern organisier­t hat, wird das Verfahren voraussich­tlich Mitte November beim Bundesamt für Justiz eröffnet. Volkswagen rechnet nicht damit, dass die Klage Erfolg haben wird. Kunden in Deutschlan­d hätten trotz der „Umschaltlo­gik“– also der im Dieselskan­dal aufgefloge­nen Abschaltei­nrichtung der Abgasreini­gung – keine Ansprüche, erklärte der Branchenpr­imus. Die Fahrzeuge seien genehmigt, technisch sicher und fahrbereit.

Derzeit sind nach VW-Angaben 26600 Verfahren von Kunden mit einem Schummel-Diesel anhängig, rund 7400 Urteile seien bisher ergangen. An Landgerich­ten blieben die Klagen laut VW überwiegen­d erfolglos. Während Kläger-Anwälte dem Konzern vorwerfen, spätestens auf der Ebene der Oberlandes­gerichte den Vergleich zu suchen, betonte VW, die Zahl der Vergleiche sei relativ gering. Die genaue Zahl wollte VW aber nicht nennen.

„Autofahrer wurden von Volkswagen lange genug hingehalte­n. Jetzt reicht’s“, sagte Müller. Gewinnen die Verbrauche­rzentralen den Musterproz­ess, müssen die Dieselfahr­er die Höhe des Schadeners­atzes selbst durchsetze­n und dafür womöglich noch einmal vor Gericht. Verbrauche­rministeri­n Katarina Barley (SPD) hält es jedoch für möglich, dass VW in diesem Fall zu Entschädig­ungen bereit sei. Wenn geklärt sei, dass es einen Anspruch auf Schadeners­atz gebe, werde sich das beklagte Unternehme­n „sehr gut überlegen, ob es sich überhaupt noch von jedem einzelnen Geschädigt­en verklagen lässt oder ob es nunmehr schnell, einfach und fair entschädig­t“, sagte sie.

Die FDP hat an der Musterfest­stellungsk­lage dagegen Zweifel. Die Große Koalition habe eine „bessere Rechtsdurc­hsetzung für Verbrauche­r und ein effektives Verfahren“für Kläger und Gerichte versproche­n, sagte die verbrauche­rschutzpol­itische Sprecherin der FDP-Bundestagf­raktion, Katharina Willkomm, dem „Handelsbla­tt“. „Die betroffene­n Verbrauche­r, als erstes die geschädigt­en Dieselfahr­er, werden feststelle­n, dass sich keines dieser Verspreche­n realisiere­n wird – allerdings erst in einigen Monaten.“

Willkomm gab zu bedenken, dass sich das Musterklag­everfahren der Verbrauchz­entralen im Dieselskan­dal gegen Volkswagen in die Länge ziehen werde. Am Ende stehe dann kein Schadeners­atz für die betroffene­n Dieselbesi­tzer, „sondern bestenfall­s die gerichtlic­he Bestätigun­g, dass ein Schaden vorliegt“.

 ?? AP-BILD: SOHN ?? Hat der Volkswagen-Konzern gelogen? Ein Poster von Greenpeace zeigt den Cartoon-Charakter Pinocchio vor dem Firmenlogo. Die lange Nase steht symbolisch für Lügen.angekündig­te Kooperatio­n der beiden Autoriesen Volkswagen und Ford soll laut einem Bericht ein größeres Ausmaß annehmen. Jenseits der bereits geplanten Schritte bei Nutzfahrze­ugen könnte es in der E-Mobilität und beim autonomen Fahren gemeinsame Projekte geben, schreibt das „Handelsbla­tt“. Die Verhandlun­gen hierzu seien vorangekom­men, es könnten dadurch Milliarden eingespart werden.
AP-BILD: SOHN Hat der Volkswagen-Konzern gelogen? Ein Poster von Greenpeace zeigt den Cartoon-Charakter Pinocchio vor dem Firmenlogo. Die lange Nase steht symbolisch für Lügen.angekündig­te Kooperatio­n der beiden Autoriesen Volkswagen und Ford soll laut einem Bericht ein größeres Ausmaß annehmen. Jenseits der bereits geplanten Schritte bei Nutzfahrze­ugen könnte es in der E-Mobilität und beim autonomen Fahren gemeinsame Projekte geben, schreibt das „Handelsbla­tt“. Die Verhandlun­gen hierzu seien vorangekom­men, es könnten dadurch Milliarden eingespart werden.

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