Im Notfall drücken, bis der Arzt kommt
NWZ-Mitarbeiterin lernt auf humorvolle Art Erste Hilfe für 4enioren
Geübt wird an Notfallpuppe Frau Kassulke. Der Rettungssanitäter und Referent mimt gekonnt und amüsant betagte Unfallopfer.
OLDENBURG – Vater sitzt auf dem Stuhl. Er stiert ins Leere. Sein Mundwinkel zuckt und der rechte Arm rutscht vom Tisch. Er redet wirres Zeug. Plötzlich kippt er nach vorn und plumpst auf den Boden. „Vater, was ist los?“Röcheln und Grunzgeräusche sind zu hören. Vater stöhnt. Was ist denn jetzt bloß passiert? Für einen kurzen Moment zeichnen sich Hilflosigkeit und Schrecken in den Gesichtern der Zuschauenden ab.
Aber dann entspannt sich die Lage, denn Roland Mersch ist der Vater und hat uns gerade die typischen Symptome eines Schlaganfalls vorgespielt. Ich sitze nämlich mit 20 anderen Personen im Gesundheitshaus des Klinikums und nehme an dem Kurs „Erste Hilfe für Senioren“teil.
Schauspieler Talent
Roland Mersch arbeitet als Bildungsreferent und Rettungssanitäter und führt uns an diesem Tag von Notfall zu Notfall. Das hört sich ziemlich anstrengend und grässlich an, doch in den vier Stunden werden sämtliche Fragen und Vorschläge der Teilnehmenden bearbeitet, und so gestaltet sich der Verlauf interessant und kurzweilig. Das liegt mit Sicherheit an dem schauspielerischen Talent des Referenten, der sich dank seiner beruflichen Erfahrungen in die unterschiedlichsten Notlagen hineinversetzt und diese überzeugend echt nachspielt. Ich habe noch keinen Schlaganfall und Herzinfarkt miterlebt und bin dankbar für die realistische Darbietung, die mir besser als jedes Video auf YouTube gefällt. Es darf zwischendurch nämlich auch gelacht werden, besonders dann, wenn wir selber ausprobieren und üben können, welche Hilfsmaßnahmen notwendig sind.
Für diese Zwecke hat Roland Mersch seine Kollegin mitgebracht. Er nennt sie Frau Kassulke. Sie erweist sich als geduldige und besonders leidensfähige Mitarbeiterin, die jeden Notfall kennt und mitmacht. Sie kommt zusammengeklappt in unsere Übungsrunde und gibt sich als Notfallpuppe zu erkennen. Wenn sie da so liegt auf der Matte am Boden, leblos und mit Atemstillstand, wird natürlich sofort die Herzdruckmassage eingeleitet, die 112 gewählt, die bekannten WFragen (Wo, Was, Wie, WelcheP am Telefon beantwortet und so lange gepumpt, bis der Rettungsdienst da ist. „Nicht aufhören. Immer weiter kräftig auf das Brustbein drücken. 100 mal pro Minute“. Der Brustkorb von Frau Kassulke müsste eigentlich schon längst ausgeleiert sein, aber sie spielt brav mit und hält durch, bis der Defibrillator bei ihr zum Einsatz kommt. Das Gerät habe ich mir bisher stets respektvoll in meiner Sparkasse im Kasten an der Wand angesehen. Wie soll ich dieses Ding nur benutzen, habe ich mich immer gefragt. Bei einem Notfall wüsste ich noch nicht einmal, wie ich das Köfferchen mit seinem Computer im Inneren überhaupt aus dem Schaukasten herauskriege. Und was macht dieser Defi denn eigentlich? Für Frau Kassulke ist sein Einsatz lebensrettend, denn Herzflimmern ist wirklich nicht spaßig.
Unfälle vermeiden
Nach etwa acht Minuten Q so lange dauert es in der Regel in Oldenburg Q sind die Sanitäter mit ihrem Blaulicht und Sirenengeheul da und übernehmen, Frau Kassulke wird in eine Klinik gebracht, wo sie aufgenommen und weiter versorgt wird. Warum habe ich diesen Kurs mitgemacht? Ich wollte wissen: Wann ist ein Notfall ein Notfall und wann ist der richtige Zeitpunkt, die 112 zu wählen? Was kann ich vorbeugend tun, um Unfälle zu verhindern? Ich lerne: Wenn ich alt bin Q und das bin ich Q sind Knochen und Muskulatur nicht mehr stabil genug, um einen Sturz abzufangen. Um nicht mit dem typischen Oberschenkelhalsbruch im Krankenbett zu landen, soll ich die Stolperfallen in meiner Wohnung beseitigen: Teppiche weg, Schwellen glätten, Stufen einebnen und überall Bewegungsmelder installieren. Mach ich später, wenn ich noch älter bin. Jetzt noch nicht. Oder eben dann, wenn es passiert.
Darum spielt Roland Mersch dann mal eben den gestürzten Vater und lässt sich von seinen Zuschauern in die stabile Seitenlage falten. Das gelingt allerdings nicht auf Anhieb, und jeder stellt dabei besorgt fest, wie lange der letzte Erste-Hilfe-Kurs zurückliegt.
Sicherheit gewonnen
So geht es mir auch, und ich verlasse die Veranstaltung sehr bereichert. Vor allem bin ich beruhigt, dass ich nun keine Angst mehr haben muss, wenn ich mit einem Notfall konfrontiert werde. Außerdem habe ich meine diffusen Unsicherheiten gegenüber dem Defibrillator verloren und werde das Gerät in Zukunft vermutlich unvoreingenommener und freundlicher betrachten. Und dann hoffe ich zum Schluss, dass Frau Kassulke alle Eingriffe überlebt hat und dem nächsten Kurs wieder als Kollegin von Roland Mersch zur Verfügung steht. Es lohnt sich.
Weitere Infos und Termine unter 4032274undüber
@ www.klinikum-odenburg.de