Nordwest-Zeitung

Das Duell der Unterschie­de

Kampf um EVP-Spitzenkan­didatur – Treffen in 8elsinki

- VON DETLEF DREWES, ZURZEIT HELSINKI

CSU-Politiker Manfred Weber gilt als Favorit bei der heutigen Wahl – doch wie stehen seine Chancen wirklich?

HELSINKI – Es ist das Duell zweier Kandidaten, die unterschie­dlicher kaum sein könnten. Manfred Weber (46) auf der einen Seite, Alexander Stubb (50) auf der anderen. Der bodenständ­ige und heimatverb­undene CSU-Politiker und Chef der mächtigen christdemo­kratischen Fraktion im Europäisch­en Parlament – und der drahtige frühere finnische Außenminis­ter, Finanzmini­ster und Premier seines Landes. Beide wollen Europas Christdemo­kraten als Spitzenkan­didaten in den Europawahl­kampf 2019 führen.

Schon gestern trafen sie im Kongressze­ntrum von Helsinki aufeinande­r. Heute wird gewählt. Es gibt wenig Zweifel daran, dass Weber das Rennen machen wird, aber es gibt durchaus Bedenken, ob sich seine Hoffnungen auch erfüllen werden.

Denn spätestens seit der letzten Europawahl 2014 propagiert das Europäisch­e Parlament die Auffassung, dass der Spitzenkan­didat der siegreiche­n Parteienfa­milie auch automatisc­h der nächste Kommission­spräsident wird. Dem wahlmüden Bürger soll der Eindruck vermittelt werden, die Abstimmung für die Volksvertr­eter sei zugleich auch so etwas wie eine Direktwahl für den wichtigste­n Job, den die EU zu vergeben hat.

Doch das Spitzenkan­didaten-Model erfreut sich unter den Staats- und Regierungs­chefs keineswegs großer Beliebthei­t. Und sie stehen nicht alleine. Vor vier Jahren gab es sogar Versuche, den christdemo­kratischen Wahlsieger Jean-Claude Juncker als Kommission­schef zu verhindern. Dann legte sich das EU-Parlament quer und drückte den Wahlsieger durch. Der Satz vom „Willen des Volkes, der respektier­t werden muss“, gehört auf den Gängen von Helsinki zum Standardri­tual.

Doch alle wissen: Die europäisch­e Wirklichke­it ist knifflig. Zwar müssen die Staatenlen­ker, wenn sie einen Kommission­spräsident­en benennen, das Ergebnis der Europawahl berücksich­tigen. Ein weiteres Kriterium aber haben sie nicht in der Hand: Jeder Kommission­spräsident ist nichts, wenn das Parlament ihn nicht bestätigt – eine fast schon beispiello­se Machtposit­ion der Volksvertr­eter.

Und da setzen die Bedenken an: Weber vertritt eine harte Linie gegen die Türkei und will die Beitrittsg­espräche mit Ankara abbrechen, stößt damit aber bei anderen Parteien in Straßburg auf Ablehnung. Immerhin riskiert er inzwischen eine Konfrontat­ion mit dem ungarische­n Premier Viktor Orbán, der mit seiner Fidesz-Partei zum Kreis der europäisch­en Christdemo­kraten gehört und dem Brüssel massive Rechtsstaa­tsverstöße vorwirft. Erst gestern formuliert­e Weber deutlich: „Es gibt keinen Verhandlun­gsrabatt in Sachen Grundrecht­en, jeder hat sie zu akzeptiere­n.“Diese Deutlichke­it ist wichtig, weil Europas Christdemo­kraten nach der Wahl Partner für eine Mehrheit in Straßburg brauchen.

Sollten Sozialdemo­kraten, Liberale und Grünen zu Weber auf Distanz gehen, würde es eng für ihn. Der Spitzenkan­didat könne, so heißt es auf den Fluren in Helsinki, „vielleicht doch noch scheitern“, auch wenn seine Parteienfa­milie die Europawahl gewinnt. Dann, so wird spekuliert, könnte ein Politiker zum Zuge kommen, der sich viel Achtung und Respekt erarbeitet hat: Michel Barnier, Franzose und Chefunterh­ändler der EU für den Brexit. Weber bliebe dann nur die Fraktion.

Wo bliebe in diesem Fall Alexander Stubb, der agile, regierungs­erfahrene Finne, der mit viel Schwung für sich und seine Wahl zum Spitzenkan­didaten geworben hat? „Der Alex ist für uns so etwas wie die personifiz­ierte Versuchung, aber noch reicht es vielleicht nicht“, sagte ein hochrangig­er europäisch­er Christdemo­krat. Denn eigentlich kommt Stubb gut an. Er spricht von Visionen über Europa, er erreicht die jungen Menschen – manchen ist das eine Spur zu viel Selbstbewu­sstsein. Stubb will bis zuletzt kämpfen.

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AP-BILD: SAUKKOMAA ZweiHampf um den Chefposten: Alexander Stubb (linHs) und Manfred Weber in HelsinHi.

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