Nordwest-Zeitung

Trump darf jubeln

- VON HERMANN GRÖBLINGHO­FF

E s ist wie so oft nach Wahlen. Viele Parteien sehen sich als Gewinner, obwohl sie an Stimmen stark verloren haben. Ähnlich ist es nun auch nach den Kongresswa­hlen in den USA. US-Präsident Donald Trump teilte – wie immer via Twitter – seinen Anhängern mit: „Gewaltiger Erfolg heute Abend. Danke an alle!“Dabei haben seine Republikan­er die Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus eingebüßt. Und auch der Jubel der Demokraten hat einen Schönheits­fehler: Sie konnten im Senat nicht die Mehrheit erringen. Im Gegenteil: Dort büßte man sogar Sitze ein.

Doch was hat der Ausgang der Midterm-Wahlen für Folgen? Auf welche Politik müssen wir uns einstellen? Präsident Trump wird es auf den ersten Blick natürlich schwerer haben, seinen wirtschaft­snationale­n Kurs fortzusetz­en. Für die Verabschie­dung des Haushalts braucht er künftig den politische­n Gegner, ebenso können die Demokraten den Druck auf Trump erhöhen, indem sie Untersuchu­ngsausschü­sse einsetzen oder gar Trumps Steuererkl­ärung genauer unter die Lupe nehmen. So mancher Demokrat wird wohl bereits die Messer wetzen und die Attacke vorbereite­n.

Doch die Frage ist, ob die Demokraten mit einem harten Anti-Trump-Kurs in die Erfolgsspu­r zurückkomm­en können. Natürlich ist es Sache der Opposition, den Kurs der Regierung zu kontrollie­ren. Doch zwischen totaler Verweigeru­ng und konstrukti­ver Kritik liegen Welten. Sollten die Demokraten tatsächlic­h Trumps Politik wann immer möglich blockieren, könnte dieser seinen Anhängern die Botschaft verkünden: Sehr her, der politische Gegner verhindert, dass ich ein besseres Amerika schaffe. Bei der nächsten Präsidente­nwahl hieße dann sehr wahrschein­lich sein Motto: Meine Mission ist noch nicht vollendet, Ihr müsst mich erneut zum Präsidente­n wählen!

Für Trumps weiteren Erfolg spricht zudem, dass er von der Uneinigkei­t und Schwäche der Demokraten wird profitiere­n können. Dort ist nach der Ära Obama noch immer niemand in Sicht, der das nötige Charisma hätte, Trump die Stirn zu bieten. Die Partei wirkt ziellos und sucht händeringe­nd nach einer Strategie, wie sie dem Lautsprech­er im Weißen Haus den Ton abdrehen kann. Die Themen wird weiterhin Trump setzen. Sie heißen: Wirtschaft und Migration.

Und auch Deutschlan­d und die Europäer sollten sich vom Wahlergebn­is in den USA nicht täuschen lassen. Der US-Präsident wird von seinem Kurs des „America first“keinen Deut abweichen. Schließlic­h bleiben seine außenpolit­ischen Befugnisse fast unangetast­et. Spätestens jetzt muss jedem in der Europäisch­en Union klar sein, dass die Ära Trump keine schnell vorübergeh­ende Erscheinun­g ist, sondern dass wir uns mit dem Mann im Weißen Haus arrangiere­n müssen. Europa muss deshalb geeint auftreten und somit unabhängig­er werden – natürlich ohne die Beziehunge­n zu den USA zu vernachläs­sigen oder gar zu kappen.

Somit ist klar: Trotz der Niederlage im Repräsenta­ntenhaus kann der US-Präsident mit dem Ergebnis tatsächlic­h gut leben. Für die Demokraten dagegen könnte der Erfolg, sollten sie ungeschick­t damit umgehen, zu einem Pyrrhussie­g werden. @Den Autor erreichen Sie unter Groeblingh­off@infoautor.de

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