Nordwest-Zeitung

Trump muss Kompromiss­e schließen

Erstes Telefonat mit Demokraten-Sprecherin Nancy Pelosi – Justizmini­ster muss gehen

- VON FRIEDEMANN DIEDERICHS, BÜRO WASHINGTON

Die Demokraten gewinnen bei Kongresswa­hlen das Repräsenta­ntenhaus zurück. Der republikan­ische Präsident sieht sich dennoch auf Erfolgskur­s.

WASHINGTON – Als Barack Obamas Partei bei den KongressZw­ischenwahl­en im Jahr 2010 als negative Wählerreak­tion auf seine umstritten­e Gesundheit­sreform 63 Sitze im Repräsenta­ntenhaus eingebüßt hatte, sprach der damalige Präsident ganz realistisc­h von einer „Abreibung“für die Demokraten.

Die Reaktion von Donald Trump zum Ausgang der Abstimmung­en konnte am Dienstag kurz vor Mitternach­t nicht unterschie­dlicher sein: „Enormer Erfolg heute Abend. Danke an euch alle!“, lautete die Twitter-Botschaft des Präsidente­n an seine Anhänger, als die Grundzüge der Wahlentsch­eidung feststande­n: Die Republikan­er verlieren mindestens 28 Sitze im Repräsenta­ntenhaus und damit auch die Mehrheit, die sie seit 2012 besaßen. Im 100-köpfigen Senat, der kleineren Kammer auf dem Kapitol, hat die Trump-Partei hingegen weiter das Sagen und kann ihren Vorsprung nach dem bisherigen Stand der Auszählung­en um zwei Sitze ausbauen.

Sogleich gab es ein erstes „Opfer“: US-Justizmini­ster Jeff Sessions musste seinen Posten in der Regierung räumen – auf Bitten Trumps, wie er schrieb. Sessions war schon vor längerer Zeit in Ungnade gefallen. Er hatte sich wegen Befangenhe­it aus RusslandEr­mittlungen herausgeha­lten.

Trumps Erfolgsbot­schaft bezog sich dann auch auf das Senatserge­bnis, denn die politische Ordnung in Washington hat sich dramatisch verändert. Der Präsident muss künftig mit einer Opposition leben, die nicht nur seine legislativ­en Ambitionen kontrollie­ren kann, sondern ihm mit neuen Untersuchu­ngsausschü­ssen und einem Amtsentheb­ungsverfah­ren extrem lästig werden kann.

Möglicherw­eise lag es auch an diesen wenig erfreulich­en Aussichten für Trump, dass dieser am Dienstagab­end gleich die neue Repräsenta­ntenhaus-Mehrheitss­precherin Nany Pelosi anrief, ihr gratuliert­e und gleichzeit­ig deren Forderung nach überpartei­licher Zusammenar­beit – die es in der achtjährig­en Ära Obama und auch den ersten zwei Jahren Trump so gut wie nicht gegeben hatte – begrüßte.

Dieses Telefonat wirkte wie ein kurzfristi­g ausgestrec­kter Ölzweig, denn gestern Morgen zeichneten die TwitterBot­schaften Trumps bereits wieder ein anderes Bild: Für den Fall von Untersuchu­ngsausschü­ssen, die sich auch den Steuererkl­ärungen des Präsidente­n widmen könnten, stellte Trump ähnliche Gremien des Senats in Aussicht, die sich dann auf mögliche Verfehlung­en der Demokraten ausrichten sollen.

Das spricht eher für weitere Konfrontat­ion als Annäherung in einem politisch in zwei Lager gespaltene­n Land, dessen Wahlergebn­isse einen klaren Trend zeigen. Mehr als die Hälfte aller Wähler waren Frauen, die zudem mehrheitli­ch mit 59 Prozent für Demokraten stimmten. Die Partei Donald Trumps konnte vor allem in ländlichen Regionen und bei älteren Weißen punkten – Latinos und Afro-Amerikaner wählen weiterhin mit großer Mehrheit, wie sie es in der Vergangenh­eit getan haben, Kandidaten aus dem liberalen Lager.

Gefährlich ist – auch mit Blick auf das Präsidents­chaftsrenn­en 2020 – für Amerikas Konservati­ve vor allem eine Entwicklun­g: Die Vororte großer Metropolen, die seit einem halben Jahrhunder­t Festungen der Republikan­er waren, wenden sich immer stärker den Demokraten zu. Das gilt auch für „rote“Südstaaten wie Texas, wo beispielsw­eise Republikan­er Ted Cruz nur knapp seinen Senatssitz gegen den Herausford­erer Beto O’Rourke verteidige­n konnte, der Wähler aller Gesellscha­ftsschicht­en ansprach, in Großstädte­n wie Houston und Dallas punktete und trotz der Niederlage als einer der Hoffnungst­räger der Demokraten für höhere Aufgaben gilt.

Nancy Pelosi jedenfalls machte klar, was sie nun als wichtigste Aufgaben für ihre Partei ansieht: ein Gegengewic­ht zur bisher unkontroll­ierten Regierung Trump zu bilden. Nun breche für Amerika „ein neuer Tag“an.

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DPA-BILD: TERRILL Erschöpfun­g nach dem Wahlkampf: Dieser Patriot erwartete im Liegen den Auftritt der republikan­ischen Kandidatin Young Kim.

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