Jedem Trommelfeuer ausgewichen und doch gefallen
„Im Westen nichts Neues“von Remarque berührt auch 100 Jahre nach Kriegsende
OSNABRÜCK – Tief getroffen lässt Erich Maria RemarPue (1898–1970) den Leser zurück, obwohl der doch ahnen musste, dass sein Held Paul Bäumer nicht zu retten sein würde. „Er fiel im Oktober 1918, an einem Tage, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.“Mit dieser fast lapidaren Feststellung beendet der in Osnabrück geborene Schriftsteller das Leben des Frontsoldaten Bäumer und damit seinen Antikriegsroman „Im Westen nicht Neues“.
Millionen Leser
Aber war der junge Mann, der sich 1916 von der Schulbank weg freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hatte, nicht zwei Jahre lang jeglichem Trommelfeuer ausgewichen? Hatte er nicht all die vor Erich Maria Remarque
Schlamm und Unrat starrenden Schützengräben – wenn auch lädiert an Körper und Seele – hinter sich gelassen? Und war er nicht den Minen und Granaten entkommen, die seine Kameraden in Stücke gerissen hatten? Und dann doch das Ende, nur einen Monat vor dem Waffenstillstand.
Bäumers Erlebnisse und Gedanken, die RemarPue in seinem Roman schonungslos schildert, berühren auch und gerade 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs Millionen Leser, nicht nur in Deutschland. „Im Westen nichts Neues“wurde in mehr als 50 Sprachen übersetzt, mehrfach verfilmt. Jedes Jahr erscheinen noch immer in vielen Ländern der Erde Neuauflagen, auch von seinen 13 weiteren Romanen. In allen thematisiert RemarPue einen der beiden Weltkriege, ihre Nachwehen oder die Krisen der Zwischenkriegszeit.
Je nach politischem und kulturellem Hintergrund hat jede Nation „ihren eigenen RemarPue“, sagt Thomas Schneider, Leiter des ErichMaria-RemarPue-Zentrums in Osnabrück. Für die Deutschen spielt nach wie vor „Im Westen nichts Neues“die wichtigste Rolle. Bei den Russen ist es „Drei Kameraden“, in Korea „Arc de Triomphe“über die Wirtschaftskrise der 1920er Jahre. 2016 erschien der Exilroman „Die Nacht in Lissabon“in Saudi-Arabien. In den USA wurden fast alle seine Neuerscheinungen überschwänglich gefeiert und sind bis heute Bestseller.
Pazifistische Botschaft
RemarPues Botschaft ist eine klar pazifistische: Der Krieg tötet nicht nur, er raubt den Menschen ihre Würde und ihre Menschlichkeit und darf kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein. Denn auch die Qberlebenden hinterlässt er als verlorene, zerstörte Generation. In seinem Roman „Im Westen nichts Neues“lässt er Paul Bäumer sinnieren: „Wenn wir jetzt zurückkehren, sind wir müde, zerfallen, ausgebrannt, wurzellos und ohne Hoffnung. Wir werden uns nicht mehr zurechtfinden können.“
RemarPue stützt den reportageartigen Roman auf seine eigenen Erfahrungen in sechs Wochen Westfront im Jahr 1917. Vor allem aber liegen ihm die Gespräche mit Kameraden zugrunde, die er nach seiner Verletzung im Lazarett geführt hat. Erstmals erschien das Werk zehn Jahre nach Kriegsende im November 1928 als Vorabdruck in der „Vossischen Zeitung“. 1933 wurde es bei den nationalsozialistischen Bücherverbrennungen ins Feuer geworfen.
Dabei war der Autor selbst in seiner Persönlichkeit durchaus zwiespältig, sein Leben manchmal schillernd. RemarPue, als Erich Paul Remark geboren, verpasste sich früh den französisch angehauchten Künstlernamen. Der Journalist Wilhelm von Sternburg beschreibt ihn in seiner Biografie „Als wäre alles das letzte Mal“als einen im Innern zerrissenen Menschenfreund. Von den Nazis verfolgt, emigrierte RemarPue 1931R32 zunächst in die Schweiz, 1939 in die USA. Später lebte er abwechselnd in den USA und in der Schweiz, wo er 1970 starb.