Fünf E-Modelle für Emden
VW will mehr als eine Milliarde Euro in ostfriesisches Werk investieren
Die Passat-Fertigung in Emden läuft aus. Der Konzern stockt seine Investitionen in Elektromobilität deutlich auf.
EMDEN/WOLFSBURG – Das Emder Volkswagen-Werk wird elektrisch: Der VW-Aufsichtsrat bestätigte am Freitag in Wolfsburg, dass der ostfriesische Standort zu einem Leitwerk für die Elektromobilität werden soll. Um den Standort für den Bau von Elektroautos fit zu machen, soll in den kommenden fünf Jahren mehr als eine Milliarde Euro in Emden investiert werden. Ab 2022 sollen in dem ostfriesischen Werk die ersten EAutos vom Band rollen.
Wie der Betriebsratschef des Emder VW-Werkes, Manfred Wulff, am Freitag erläuterte, sollen insgesamt fünf EModelle an dem Standort produziert werden: ab 2022 das Modell „Aero“, ein passatähnlicher Mittelklassewagen, in den Varianten Limousine und Variant; und ab 2023 ein Kleinwagen für unter 20 000 Euro, der intern „MEB entry“genannt wird, für den ein endgültiger Name aber noch nicht feststeht. Dieses Modell, eine Art „SUV in Polo-Größe“(Wulff), soll in drei fast baugleichen Varianten nicht nur für Volkswagen, sondern auch für Seat und Skoda gebaut werden.
Im Gegenzug wird sich das Werk schrittweise vom Verbrennungsmotor verabschieden. Schon die nächste Generation des Passat, für den Emden bislang Leitwerk war, soll nicht mehr in Ostfriesland, sondern im Skoda-Werk im tschechischen Kvasiny produziert werden, sagte Wulff.
Die Produktion des Passat Variant soll Anfang 2022 in Emden auslaufen, die der Passat Limousine soll im Frühjahr 2024 enden. Das Modell Arteon werde bis Mitte 2023 in Emden gebaut. Der Arteon Shooting Brake, dessen Produktion erst Ende 2019 beginnen wird, soll als letztes Modell mit Verbrennungsmotor bis 2027 in Ostfriesland vom Band laufen.
Dieser schrittweise Übergang hat zur Folge, dass zeitweise acht Fahrzeugmodelle gleichzeitig in Emden produziert werden. „Das bedeutet für unsere Planer eine große Herausforderung“, so Wulff.
Insgesamt zeigte sich der Betriebsratschef sehr zufrieden. „Das ist eine super Chance für den ostfriesischen Standort“, sagte Wulff. „Das gesamte Paket ist ein sehr gutes.“Ein Wermutstropfen sei allerdings, dass die Arbeitsplätze von 500 befristet beschäftigten Mitarbeitern in Emden in den kommenden Monaten entfallen werden.
Insgesamt will der Volkswagen-Konzern seine Investitionen in Elektromobilität und Digitalisierung in den kommenden fünf Jahren auf knapp 44 Milliarden Euro aufstocken. Dies entspreche rund einem Drittel der Gesamtausgaben im Planungszeitraum 2019 bis 2023, teilte der Konzern am Freitag mit.
„Das ist eine super Chance“ MANFRED WULFF, BETRIEBSRATSCHEF VW EMDEN
F ür die 500 befristet beschäftigten Mitarbeiter, die beim Emder Volkswagen-Werk keine Zukunftsperspektive haben werden, waren die Beschlüsse der vergangenen Tage fraglos eine bittere Pille. Für den ostfriesischen Standort insgesamt ist die Umstellung vom Passat-Werk zur ElektroautoFabrik jedoch eine gute Nachricht.
Schaut man sich die Entwicklung in der jüngeren Vergangenheit bei der kriselnden Fabrik an, ist es womöglich sogar die einzige Chance. Schon seit Monaten schwächelt die Passat-Nachfrage und damit auch die Produktion in Emden. Die Gründe sind vielfältig: der Einbruch des wichtigen türkischen Marktes, der bevorstehende Brexit, die Diskussion um Diesel-Fahrverbote in Deutschland. VW konnte nur mit Schließtagen und Kurzarbeit darauf reagieren. Dauerhaft sicherlich kein Ausweg. Zugleich spricht wenig dafür, dass die Nachfrage nach der in Emden gefertigten Modellpalette in den kommenden Jahren wieder sprunghaft steigen könnte. Das von den Emdern geforderte fünfte Modell hätte allenfalls temporär für Abhilfe gesorgt.
Mit der schrittweisen Umstellung auf Elektroautos eröffnet sich für den ostfriesischen Standort dagegen eine echte Zukunftsperspektive. Positiv zu werten ist, dass die Emder künftig nicht von einem Modell abhängig sind, sondern unterschiedliche Fahrzeuge bauen, einen Mittelklassewagen und ein Einsteigermodell, das überdies nicht nur für Volkswagen, sondern auch für Seat und Skoda gefertigt wird.
Natürlich ist der Schritt in die Elektromobilität nicht frei von Risiken. Wird dem E-Auto wirklich die Zukunft gehören, wie es die meisten Experten prognostizieren? Kommen die Modelle aus Emden beim Publikum an? Doch die Chance, diese Wette auf die Zukunft zu gewinnen, ist auf elektrischem Wege allemal höher, als auf ein „Weiter so“zu setzen.
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