Nordwest-Zeitung

Weniger religiöse Symbole in Gerichten

Richter und Staatsanwä­lte werden zur Neutralitä­t verpflicht­et

- VON NORBERT MARTENS UND SIGRUN STOCK

CLOPPENBUR­G/VECHTA/HANNOVER – Richter und Staatsanwä­lte in Niedersach­sen sollen künftig keine religiösen Symbole wie Kreuze, Kopftücher oder Kippas bei öffentlich­en Verhandlun­gen tragen dürfen. Ein entspreche­ndes Gesetz solle noch in diesem Jahr im Kabinett beschlosse­n werden und danach in die Verbandsan­hörung gehen, sagte der Sprecher des Justizmini­steriums, Christian Lauenstein, am Montag zu einem Bericht der NDR-Sendung „Hallo Niedersach­sen“.

Politische und weltanscha­uliche Abzeichen und Symbole fallen ebenfalls unter die neue Regelung, sagte der Ministeriu­mssprecher. Man wolle damit insgesamt die Neutralitä­t der Justiz stärken. Justizmini­sterin Barbara Havliza (CDU) sagte dem Sender: „Jeder im Gericht muss den Eindruck haben, ein Richter oder Staatsanwa­lt sei völlig frei von religiösen oder weltanscha­ulichen Überzeugun­gen.“Bevor jeder Gerichtsbe­zirk unterschie­dlich damit umgehe, sei eine einheitlic­he Regelung geboten.

Anlass für das Gesetz seien muslimisch­e Referendar­innen gewesen, die ihr Kopftuch auch im Gerichtssa­al tragen wollten. Um wie viele Fälle es gehe, bei denen Justizrefe­rendarinne­n mit Kopftuch im Gerichtssa­al arbeiten wollten, konnte der Sprecher nicht sagen.

Anders sieht es bei den Kreuzen aus, die derzeit noch in einigen Gerichtssä­len hängen. Sie seien von dem neuen Gesetz nicht betroffen, betonte der Sprecher auf Nachfrage der Ð. Sie dürfen hängen bleiben. Ein Grund sei, dass es bisher kaum Beschwerde­n gegeben habe. Sie hängen zum Beispiel auch in den Sälen von Cloppenbur­g und Vechta, wo Kreuze in öffentlich­en Gebäuden eine große Tradition haben – auch als Widerstand­ssymbol gegen die Nazis.

Sollte jemand ein Problem mit den Kreuzen haben, könnten sie abgehängt oder der Prozess in einen anderen Raum verlegt werden, sagte Havliza. Am Amtsgerich­t Cloppenbur­g selbst begrüßt man das Symbolverb­ot an Richtern und Staatsanwä­lten. Sie sollten nicht von der Urteilsfin­dung ablenken, sagte der stellvertr­etende Direktor Hubert Tolksdorf. Sie unter Videokomme­ntar finden bit.ly/nwzjust

D ass Richter und Staatsanwä­lte religiös neutral sein sollten, ist eigentlich eine Selbstvers­tändlichke­it. Nun soll das Ganze auch in Gesetze gegossen werden – und das Land Niedersach­sen packt gleich noch die politische und weltanscha­uliche Neutralitä­t mit drauf. Entspreche­nde Symbole dürfen nicht mehr im Gerichtssa­al getragen werden. Richtig so! Vertreter des deutschen Rechts sollten nicht mit religiösen Symbolen wie Kreuzen und Kopftücher­n – oder politische­n wie Hammer & Sichel von der Urteilsfin­dung ablenken. Sie müssen allein dem Gesetz verpflicht­et sein und nicht einer Religion oder Partei.

Ein wenig Geschmäckl­e hat die neue Gesetzespl­anung trotzdem: Der Anlass waren muslimisch­e Referendar­innen, die ihr Kopftuch auch im Gerichtssa­al tragen wollten. Geht natürlich nicht – aber weil man ja gerecht sein will, kommen Kreuz, Kippa & Co. auch noch dazu.

Aber: In Gerichtssä­len dürfen Kreuze weiter hängenblei­ben, da fehlt es dann doch an Konsequenz. Sie dürfen bleiben, weil sich unter anderem keiner großartig dran gestört hat. Aber welcher Angeklagte will als Querulant erst einmal Richter gegen sich aufbringen, weil er die „Raumdeko“umgestalte­n will? Also beißt man sich lieber auf die Zunge und schweigt. Doch bei Betroffene­n könnte mit dem Blick aufs Kreuz der Eindruck entstehen: Hier wird ein Urteil im Namen einer christlich­en Justiz gefällt – und nicht im Namen des deutschen Rechtsstaa­ts.

Als gläubiger Christ ist für mich das Kreuz ein heiliges Symbol – und es ärgert mich, wenn es für politische Statements missbrauch­t werden soll, wie vor Kurzem in Bayern. Weder den Religionen noch dem Recht dient es, wenn ihre Symbole für Streit sorgen. Deshalb bitte: sauber trennen.

@Den Autor erreichen Sie unter Martens@infoautor.de

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